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Im Versuchsaufbau wurden anteilig mehr oder weniger der bevorzugten Karotten angeboten.

© Alvaro L Caicoya

Rechnen mit Rüben: Giraffen berücksichtigen Wahrscheinlichkeiten

Auch Giraffen mögen nicht jedes Gemüse gleich gern. Forschende haben sich das für einen Mathetest zunutze gemacht. Die Tiere bestanden ihn trotz ihres vergleichsweise kleinen Gehirns.

Giraffen sind Versuchen zufolge in der Lage, bei Entscheidungen Wahrscheinlichkeiten zu erkennen und zu berücksichtigen. Die statistischen Fähigkeiten der Tiere seien womöglich ausgefeilter als bisher angenommen, berichtet ein Forschungsteam aus Leipzig und Barcelona im Fachjournal „Scientific Reports“.

Die Fähigkeit, statistische Schlüsse zu ziehen, gilt als hoch entwickelte kognitive Funktion und wurde bisher nur bei Tieren mit im Verhältnis zum Körper größerem Gehirn wie Primaten und Keas getestet.

Leckere Karotte und langweilige Zucchini

Das Forschungsteam um Federica Amici vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI Eva) und der Universität Leipzig nutzte bei ihren Versuchen die Vorliebe von vier Zoogiraffen: Alle mögen Karotten lieber als Zucchini. Den Tieren wurden jeweils zwei für sie gut zu sehende, aber selbst mit der langen Zunge nicht erreichbare transparente Behälter vor die Nase gestellt. Einer war zunächst mit 20 Karotten- plus 100 Zucchinistücken, der andere mit 100 Karotten- plus 20 Zucchinistücken gefüllt.

In weiteren Versuchen waren es 20 Karotten- plus 100 Zucchinistücke gegenüber 20 Karotten- plus 4 Zucchinistücken und schließlich 57 Karotten- plus 63 Zucchinistücke gegenüber drei Karotten- und 63 Zucchinistücken. Mit den letzten beiden Angeboten wurde getestet, ob die Giraffen tatsächlich die relativen Häufigkeiten der Gemüsesorten beurteilen konnten und nicht nur die absolute Anzahl der einzelnen Sorten.

Die Tiere trafen ihre Auswahl artgemäß mit ihrer langen Zunge.

© Alvaro L Caicoya

Ein Helfer nahm jeweils ein Stück aus jeder Schale in die geschlossene Faust, ohne dass die Giraffen sehen konnten, welche Sorte gewählt wurde. Dann mussten sich die Tiere für eine Hand entscheiden. In 17 von 20 Versuchen wählten sie die Hand über dem Behälter aus, der anteilig mehr Karottenstücke enthielt, bei dem es also wahrscheinlicher war, dass ein Stück des beliebteren Gemüses in der Hand verborgen war.

Evolutionäre Vorteile

Schwieriger war es für die Tiere ihre Chancen auf Karotten zu beurteilen, wenn in den Behältern eine Trennwand eingezogen war, ein Teil der Gemüsestücke darunter lag und nur aus dem oberen Teil ein Stück entnommen werden konnte. Nur eine Giraffe meisterte im Test auch diese Herausforderung, physikalische Informationen mitzuberücksichtigen.

Den Ergebnissen zufolge sind Giraffen (Giraffa camelopardalis) trotz ihrer relativ kleinen Gehirne offenbar wie Primaten und Keas (Nestor notabilis) zu statistischem Denken in der Lage, folgern Amici und ihre Mitautoren von der Universität Barcelona. Ein großes Gehirn sei womöglich keine zwingende Voraussetzung für komplexe statistische Fähigkeiten und das Ziehen statistischer Schlüsse im Tierreich vielleicht weiter verbreitet als bisher angenommen.

Schließlich könnten statistische Fähigkeiten aus evolutionärer Sicht entscheidende Vorteile für Individuen bieten, wenn sie in einer Situation der Ungewissheit richtige Schlüsse ziehen, erläutert das Forschungstrio. Es wäre daher aus seiner Sicht nicht überraschend, kämen solche Fähigkeiten weit verbreitet vor. Dies müssten nun weitere Studien zeigen.

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