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 Ministerpräsident des Freistaates Sachsen Michael Kretschmer, Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger, Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt Dr. Reiner Haseloff, Deutschland, Berlin, Bundespressekonferenz.

© imago/Metodi Popow / IMAGO/M. Popow

Sachsen greift nach den Sternen: „Kohlemilliarden“ für Astrophysik und Chemie

In Berlin wurden zwei Großforschungszentren gekürt, um Sachsen im Strukturwandel zu unterstützen. Mehr als zwei Milliarden Euro regnet es für Astrophysik- und Chemieprojekte.

Zwei Jahre lang hat es gedauert, doch nun steht fest: Astrophysik und Chemie kommen nach Sachsen. Schon 2020 wurde im Rahmen der zugesagten „Kohlemilliarden“ für den Strukturwandel ein Ideenwettbewerb ausgelotet, um zwei Großforschungszentren zu finden, die zukünftig den Forschungsstandort Sachsen stärken sollen. Vorgesehen war ein Zentrum pro sächsischer Kohleregion, also eins für die Lausitz und eins für das mitteldeutsche Revier. Donnerstagmittag machte Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) auf der Bundespressekonferenz schließlich Nägel mit Köpfen.

Beglückwünschen durfte sie das Deutsche Zentrum für Astrophysik sowie das CTM - Center for the Transformation of Chemistry („Zentrum für Chemietransformation“). Diese zwei Forschungsvorhaben setzten sich in der letzten Entscheidungsrunde gegen vier andere Vorschläge durch und werden Fördermittel in Höhe von 1,2 Milliarden Euro pro Zentrum erhalten. Der Vorsitzende der Auswahlkommission für Transfer und Strukturwirkung Uwe Cantner betonte, dass bei der Entscheidung sowohl wissenschaftliche als auch wirtschaftliche Gesichtspunkte ausschlaggebend waren. Im Vordergrund stünden bei den ausgewählten Projekten zwei Kriterien.

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Zum einen fügten sich die Forschungszentrum gut in die jeweiligen Regionen ein. Diesen Aspekt legte auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer dar, der zusammen mit seinem Amtskollegen aus Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (beide CDU), anwesend war. In der Lausitz profitiere das Zentrum für Astrophysik von einer massiven Granitschicht, die sich in bis zu 200 Meter Tiefe durch die Region ziehe. Dies biete laut Kretschmer die Möglichkeit „abgeschirmt und mit einer seismischen Ruhe“ Forschung zu betreiben. „Mit dieser Infrastruktur wird man etwas Einzigartiges in der Welt schaffen.“

Konkret wolle man die Datenströme zukünftiger Großteleskope bündeln und verarbeiten sowie Regelungstechniken für Observatorien entwickeln. Im Raum steht auch, die Lausitzer Granitformationen für den Bau eines Gravitationswellendetektors (eines sogenannten „Einstein-Teleskops“) zu nutzen. Um diese Vorhaben umzusetzen, eigne sich die Errichtung eines unterirdischen Forschungslabors in der Nähe von Bautzen sowie eines Forschungszentrums in Görlitz. Die genaue Standortwahl stehe in diesem Fall jedoch noch nicht endgültig fest und werde den Akteuren überlassen.

Zukunft der Leitbranche Chemie

Anders sieht dies beim CTM in Mitteldeutschland aus, welches sich in Delitzsch und damit in unmittelbarer Nähe zum sachsen-anhaltinischen Chemiestandort Bitterfeld-Wolfen ansiedeln soll. „Die Chemieindustrie macht 15 Prozent des BIP von Sachsen-Anhalt aus,“ bemerkt Haseloff, der ebenfalls in den Entscheidungsprozess involviert war. Es gehe um nichts Geringeres als die Zukunft dieser Leitbranche. Mit dem Zentrum wolle man laut Forschungsministerium eine Kreislaufwirtschaft in der chemischen Industrie ermöglichen und damit zum Klimaschutz beitragen. Ziel sei es, Rohstoffe und Energie in der chemischen Industrie einzusparen. Neben der überregionalen Synergie liegt damit vor allem auch die Aktualität des Projektes auf der Hand.

Es ist ein wirklicher Game Changer – etwas ganz Neues.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer über die Forschungszentren

Das zweite Entscheidungskriterium für die beiden Siegervorschläge waren die jeweiligen Transferkonzepte, um wissenschaftliche Erkenntnisse in Gesellschaft und Wirtschaft zu tragen. Gerade hier hinke Deutschland nach Meinung Cantners Ländern wie den USA weit hinterher und müsse nachlegen. „Das fängt an beim Mindset der Akteure, unternehmerisch zu denken, und hört auf bei Skalierungsfragen.“ Davon, dass man mit mehr als einem Fünftel der sächsischen Kohlemilliarden nicht nur viel Geld in die Hand nimmt, sondern sich auch für die richtigen Projekte und Leute für die Region entschieden habe, ist Kretschmer indes überzeugt. „Wir haben die besten Ideen, die es auf der Welt gab, ausgewählt. Es ist ein wirklicher Game Changer – etwas ganz Neues.“

Nun geht es für Astrophysik und Kreislaufchemie in die Konzeptphase, die zwischen sechs und neun Monate lang dauern soll. Darauf folge eine Aufbauphase von drei bis sechs Jahren, bis die Zentren selbständig sind und die institutionelle Förderung beginne. Wichtig sei, in dieser Phase Fachpersonal anzuziehen und auch in den Regionen zu halten. In Görlitz gelinge dies aktuell mit dem Aufbau des Big-Data-Zentrum Casus, das Kretschmer als Vorbild für eine gelungene Einbindung der Projekte in die Regionen hält.

Eines müsse man nach Ansicht aller beteiligten Akteure jedoch mitbringen: Zeit. „Man braucht Geduld, fünf, sieben, zehn Jahre“, resümiert Kretschmer. „Und dann werden die Effekte eintreten. Der Zeitpunkt 2038 als Förderungsende ist deswegen ganz bewusst gesetzt.“ Erst kürzlich bestanden Haseloff und Kretschmer auf den Kohleausstieg in eben jenem Jahr. Im Konflikt mit dem Koalitionsvertrag der Ampelregierung, der einen Ausstieg bis 2030 anstrebt, stehe dies für Bildungsministerin Stark-Watzinger nicht. „Wir sehen im Hinblick auf die Energiekrise, dass wir die Zeiten gar nicht einhalten können.“ 

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