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Jan-Martin Wiarda

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Wiarda will’s wissen: Hoffnungsloser Hoffnungsträger

Neue Technologien, neue Problemlösungen, neue Impulse soll die Wissenschaft liefern. Aber wie soll das gehen, wenn sie selbst pessimistisch in die Zukunft schaut?

Eine Kolumne von Jan-Martin Wiarda

Jedes Jahr lässt der Deutsche Hochschulverband (DHV) seine 33.000 Mitglieder befragen, wie optimistisch sie die Zukunft für die Wissenschaft in Deutschland beurteilen.. Auch wenn weniger als zehn Prozent mitmachen, sind die Antworten laut durchführendem Zentrum für Evaluation und Methoden der Uni Bonn repräsentativ für den gesamten DHV. In jedem Fall sind sie spannend, denn die meisten Verbandsmitglieder sind Professoren, sie bestimmen also die Geschicke der deutschen Wissenschaft. 

Ende 2019, unmittelbar vor der Corona-Krise, sagten 47,2 Prozent der Teilnehmer der Umfrage, dass sie dem kommenden Jahr für die Wissenschaft in Deutschland eher mit Zuversicht entgegensehen. 52,8 Prozent äußerten sich eher sorgenvoll. Seitdem ging es mit der Stimmung Stück für Stück weiter abwärts. Inzwischen ist der Anteil der Optimisten auf 27,5 Prozent geschrumpft. Während fast Dreiviertel der Antwortenden vom Jahr 2024 mehr Schlechtes als Gutes für die Wissenschaft erwarten.

Kein Wunder. Ob Pandemie-Folgen, Klimakrise, Ukraine-Krieg, Nahost-Konflikt, Wirtschaftsflaute oder Ampel-Haushaltsvakuum, lange gab es nicht so viele Gründe in so enger Abfolge, pessimistisch zu sein. Verbunden mit dem Wissen, dass Deutschlands Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in einer derart tiefen Modernisierungskrise stecken, dass ein dynamisches Gegenhalten kaum möglich erscheint.  

Mehr als je zuvor scheinen in dieser Lage die Hoffnungen der Politik auf der Wissenschaft zu ruhen. Ihre Erkenntnisse sollen neue Perspektiven und Lösungsoptionen eröffnen, technologischen Fortschritt ermöglichen, Erfinder- und Unternehmergeist stimulieren. Was aber bedeutet es dann, wenn die Forschenden selbst im Pessimismus feststecken? Ist, wer selbst wenig Gutes von der Zukunft erwartet, in der Lage, diese positiv zu gestalten? Angefangen mit den arg reformbedürftigen Karriere- und Anreizsystemen in der Wissenschaft selbst?

Zu dieser Paradoxie gesellt sich eine zweite. Die politischen Heilserwartungen in Richtung Wissenschaft decken sich nicht mit ihrer Finanzierung. Wollen Bund und Länder den gesellschaftlichen Aufbruch auf der Grundlage von Forschung und Technik, sollten sie mit einer Investitionsoffensive anfangen. Das wäre ein Stimmungsaufheller nicht nur für die Wissenschaft.

Alle „Wiarda will’s wissen“-Kolumnen finden Sie hier.

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