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Symbolbild: Eine Frau zählt ihre Geldscheine ihrem Portemonnaie. In Zeiten von steigenden Energiekosten müssen viele Bürger den sparen.

© picture alliance / pressefoto_korb/Micha Korb

Update

EU im Schock über Energiepreise: 87 Milliarden Euro Klimasozialgeld – kommen sie bei den Armen an?

Wegen des Ukrainekriegs weicht Brüssel das Klimapaket „Fit for 55“ auf und beschließt einen Hilfsfonds. Das Geld landet jedoch in den nationalen Haushalten statt direkt bei den Bedürftigen.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

| Update:

Der Ehrgeiz der EU, als Primus beim Klimaschutz zu glänzen, ist größer als ihre Fähigkeit, das Versprochene zu liefern. Und größer als Realitätssinn und Kooperationswille der drei Machtzentren: EU-Kommission, Europäisches Parlament (EP) und Europäischer Rat, das Gremium der nationalen Regierungen.

Am Ende wird nur das Realität, worauf sich die drei einigen: als kleinsten gemeinsamen Nenner. Deshalb wird das Gesetzespaket „Fit for 55“, mit dem die EU die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 senken möchte, einer dramatischen Korrektur unterzogen. Die Kommission hatte das Programm im Juli 2021 vorgestellt, in Friedenszeiten.

Russlands Angriff auf die Ukraine wurde zum Realitätstest, für einzelne Staaten wie Deutschland und die EU insgesamt. Nun weicht das EP die Vorgaben für die CO2-Reduzierung auf. Und beschließt unter dem Schock über die Energiepreise ein Klimasozialgeld. 87 Milliarden Euro sollen in den Fonds fließen, 65 Milliarden Euro aus EU-Kassen, die übrigen 25 Prozent steuern die Nationalstaaten bei.

Die EU zahlt nicht direkt an die Armen

Aber wird das Geld bei den Bedürftigen ankommen? Das ist fraglich. Die EU kann nicht direkt an sie auszahlen. Auch da ist sie auf die Kooperation der Mitgliedstaaten angewiesen. Das Geld fließt in die nationalen Haushalte. Dass die es komplett weitergeben, kann Brüssel nicht garantieren.

Politisch erlaubt die Arbeitsteilung den nationalen Regierungen zudem das übliche Doppelspiel: Die Probleme seien durch Brüssel verschuldet, die Wohltaten kommen aus der eigenen Hauptstadt. So entsteht nicht der Eindruck einer gemeinsamen Klimapolitik der drei Machtzentren der EU.

Das hatte sich beim Start von „Fit for 55“ abgezeichnet. Mehrere EU-Staaten hatten im Sommer 2022 Bedenken wegen der gewünschten Preissteigerungen für Energie. In Frankreich protestierten Gelbwesten, in Spanien Podemos, in Italien Bäcker, Bauern, Bürger.

Als im Herbst 2021 die Energiepreise rasant stiegen, teils wegen der Klimapolitik, teils wegen der Kriegsfurcht angesichts des russischen Aufmarschs an den Grenzen zur Ukraine, begannen immer mehr EU-Staaten die EU-Strategie zu unterlaufen. Im Januar 2023 hatten 20 der 27 Mitglieder Steuersenkungen, Gaspreisbremse oder Benzinpreisdeckel beschlossen.

Der russische Angriff am 24. Februar 2022 trieb die Preise weiter. Und stellte die Ziele von „Fit for 55“ komplett in Frage. Die Korrektur ist bitter für den Klimaschutz, aber sozial unumgänglich.

Das Grundproblem bleibt jedoch: Kommission, Parlament und nationale Regierungen arbeiten oft mehr gegeneinander als miteinander. Nicht nur beim Klimaschutz, aber dort ganz besonders.

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