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Das von der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA verbreitete Foto soll Kim Jong-un und seine Tochter beim Beobachten des Starts einer ballistischen Interkontinentalrakete vom Typ Hwasong-18 am 13.04.2023 zeigen.

© dpa/KCNA via KNS/Uncredited

Nordkoreas Atomprogramm: Kim Jong-uns mächtigste Waffe

Nordkorea hat eine neue atomwaffenfähige Rakete mit großer Reichweite getestet. Während der Westen nervöser wird, mimt man in Pjöngjang Zuversicht.

Kim Jong-un ist dieser Tage auffallend gut gelaunt. Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA zeigte den „Obersten Führer“ Nordkoreas, wie er vor einigen Tagen in der Hauptstadt Pjöngjang ein rotes Band durchschnitt – ein Bauprojekt für 10.000 Wohnungen war damit abgeschlossen.

Zum Anlass des Geburtstags von Kim Il-Sung, dem Staatsgründer Nordkoreas, der am Samstag 111 Jahre alt geworden wäre, genoss dessen regierender Enkel medienwirksam etwas Fußball: Offizielle des Verteidigungsministeriums spielten gegen die Kabinettsregierung. Das Militär gewann, und Kim lachte.

Der Sieg des Militärs passt gut ins Bild, den die nordkoreanischen Staatsmedien transportieren wollen. Kurz zuvor waren aus dem totalitär regierten Staat ähnliche Botschaften verschickt worden – allerdings mit echten Waffen.

Neue Rakete könnte die USA erreichen

Kim hatte den Start einer Interkontinentalrakete beaufsichtigt, die mit einer Reichweite von mehreren tausend Kilometern auch die USA erreichen könnte. Und nicht nur das: Dies sei die mächtigste Waffe des Nukleararsenals Nordkoreas, und sie werde mit Festbrennstoff betrieben, heißt es in der nordkoreanischen Propaganda.

Nordkoreas Diktator Kim Jong-un weiht ein neues Wohngebiet in Pjöngjang ein.

© AFP/KCNA via KNS

Die Feinde Nordkoreas würden nun „extreme Nervosität und Schrecken“ verspüren, mutmaßte Kim. Analysten im – mit Nordkorea seit Jahrzehnten verfeindeten – Südkorea bestätigten, dass die Nachricht tatsächlich „einschüchternd“ sei. Nicht nur wegen der offenbaren Reichweite der Rakete, sondern auch wegen des Antriebs.

Festbrennstoff lässt sich leichter bewegen und verstecken als ein flüssiges Äquivalent. Vorbereitungen zum Abfeuern einer solchen Rakete ließen sich besser unbeobachtet vollziehen, sodass es anderen Staaten schwerer falle, dagegen kurzfristig Vorkehrungen zu treffen.

Für Nordkorea war es der erste Test einer ballistischen Interkontinentalrakete seit rund einem Monat. Inmitten globaler Spannungen hat Kim Jong-un im vergangenen Jahr so viele Raketentests durchführen lassen wie nie zuvor.

Zuletzt hatte der 39-jährige Diktator angekündigt, das Waffenarsenal auf „praktischere und offensivere“ Art ausbauen zu wollen. So waren die internationalen Reaktionen auf den Raketentest noch etwas deutlicher als in vielen vorigen Fällen.

Diese Provokationen von Pjöngjang untergraben die regionale und internationale Sicherheit.

Dylan White, Nato-Sprecher

Dylan White, Sprecher des westlichen Militärbündnisses Nato, sagte nach dem Raketetest: „Diese Provokationen von Pjöngjang untergraben die regionale und internationale Sicherheit. Nordkorea muss sein rücksichtsloses Verhalten beenden, von seinen rechtswidrigen Programmen nuklearer und ballistischer Raketen Abstand nehmen und sich in aufgeschlossener Diplomatie üben.“

Druck in der Region nimmt zu

Im benachbarten Japan wurden in Hokkaido, der Nordinsel des Landes, die Menschen aufgefordert, Schutz zu suchen. Denn in der Vergangenheit sind in Nordkorea getestete Raketen immer wieder in japanischen Gewässern gelandet. Die Angst davor, dass die japanische Bevölkerung getroffen wird, wird offenbar größer – zumal Japan zwar gerade erst eigens eine deutliche Aufrüstung beschlossen hat, diese aber noch im Gange ist.

Ebenso in Südkorea, wo man das nordkoreanische Feuerwerk eigentlich seit Jahren gewohnt ist, nimmt die Vorsicht nun zu.

In einem vom südkoreanischen Vereinigungsministerium veröffentlichten Whitepaper fordert Seoul Pjöngjang praktisch dazu auf, sein Atomprogramm zu beenden. In bisherigen Papieren hat die Regierung in diesem Zusammenhang stets von „Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel“ gesprochen, offenbar mit dem Hinweis, dass sich im Gegenzug auch das in Südkorea stationierte US-Militär reduzieren müsste.

Die seit einem Jahr amtierende konservative Regierung um Yoon Suk-yeol will mit ihrer neuen Formulierung offenbar den Druck auf Nordkorea erhöhen.

Wobei die nordkoreanische Rhetorik eine andere ist. Dort sieht man sich von der Militärpräsenz der USA in Südkorea bedroht. Diese wiederum dient Pjöngjang auch als Rechtfertigung für das eigene Waffenprogramm, das in ökonomisch schwierigen Zeiten auch noch verstärkt wird.

Dabei hat Kim Jong-un wiederholt öffentlich eingestanden, dass die Entwicklungsziele nicht erreicht worden sind. Nicht nur die seit 2017 verstärkten UN-Sanktionen haben Nordkoreas Wirtschaft geschwächt, sondern auch die Pandemie. Derzeit dürften enorme Ernährungsengpässe bestehen.

Zugleich gehört Nordkorea – zumindest auf diplomatischer Ebene – zu den Gewinnern des Angriffs Russlands auf die Ukraine. Denn durch die diplomatische Isolation Russlands hat Moskau begonnen, sich anderen Staaten anzunähern, die vom Westen ebenfalls mit Sanktionen belegt sind. Dazu gehört auch Nordkorea.

So dürfte man in Pjöngjang von der Empörung seitens der Nato, Japans und Südkoreas über den jüngsten Raketentest kaum beeindruckt sein – vielmehr dazu ermutigt, genauso weiterzumachen.

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