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Der EU-Beitritt ist für die Ukraine ein wichtiges Thema.

© Getty Images / pvachier

Ukraine will in die EU und Nato: „Ich hoffe, dass die Verhandlungen noch dieses Jahr beginnen können“

Oleksandr Vasiuk beschäftigt sich als ukrainischer Abgeordneter mit für den EU-Beitritt wichtigen Justizreformen. Was genau muss sich in der Ukraine ändern und was braucht das Land?

Herr Vasiuk, wann tritt die Ukraine der EU und der Nato bei?
Die EU hat uns eine Liste mit sieben Grundvoraussetzungen gegeben. Die sind notwendig, um die Aufnahmegespräche überhaupt erst zu beginnen. Von diesen sieben sind zwei im Bereich der Justiz. Das ist eng mit meiner Arbeit im Justizausschuss verbunden.

Ich hoffe, dass die Verhandlungen zur EU-Mitgliedschaft noch dieses Jahr oder spätestens vor den Europawahlen nächstes Jahr beginnen können. Beim Nato-Gipfel in Vilnius im Juli müssen wir ein konkretes Beitrittsversprechen inklusive Eintrittsdatum bekommen. Die Ukraine hat es verdient, Nato-Mitglied zu sein.

Hat eines der Bündnisse für die Ukraine Priorität?
Für uns gibt es eine gemeinsame Priorität: ein Beitritt zur EU und Nato. Das ist in unserer Verfassung verankert. Wir tun alles, um das möglich zu machen.

Für einen EU-Beitritt ist die Korruptionsbekämpfung wichtig. Was muss dort konkret unternommen werden?
Gerade im Regierungsbereich ist Korruption eine große Gefahr. Deshalb haben wir beispielsweise eine Anti-Korruptions-Behörde geschaffen. Dabei hilft uns auch unser Vorstoß in Sachen Digitalisierung.

Westliche Politiker loben die Geschwindigkeit der Reformen. Reicht das, um schnellstmöglich EU-Mitglied zu werden?
Regierung, Parlament und Behörden arbeiten als Team, um noch während des Krieges die Reformen umzusetzen. Denn wir dürfen keine Zeit verlieren. Deshalb sind wir in ständigem Kontakt mit unseren EU-Partnern. Ich kümmere mich dabei um die Anpassung unserer rechtlichen Standards an die der Union.

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Milliarden Euro werden laut Ukraine an Soforthilfe benötigt.

Außerdem beharrt die EU auf Reformen des Verfassungsgerichts, woran auch Sie beteiligt sind. Was muss sich dort ändern?
Der Ukraine fehlen 2500 Richter – das ist ein großes Problem. Der Auswahlprozess für neue Richter muss transparent gestaltet werden. Dafür haben wir eine unabhängige Expertenkommission eingesetzt, die die Ernennung der Richter überwacht. Solch ein Vorgang darf nicht politisch sein.

Jetzt arbeiten wir daran, dass diese Reform auch auf der untersten Gerichtsebene ankommen. All das sind Vorschläge der Venedig-Kommission, die uns in diesen Fragen berät. Wir haben diese Vorschläge in einem Gesetz eingebracht, das nun umgesetzt wird.

Wen die Amerikaner wählen, ist ihre interne Angelegenheit.

Oleksandr Vasiuk über eine Wiederwahl Donald Trumps

Was ist der Ukraine momentan wichtiger: Kriegshilfe, humanitäre Hilfe oder Wiederaufbauhilfe?
Russland verursacht enorme Schäden in der Ukraine, die jeden Tag zunehmen. Die Weltbank schätzt die Gesamtschäden schon jetzt auf mehr als 380 Milliarden Euro. Die Wiederaufbaukonferenz in London war deshalb sehr wichtig für uns.

Vor der Konferenz haben wir zusammengetragen, was wir allein dieses Jahr an Soforthilfe benötigen: rund 3 Milliarden Euro für Energie-Infrastruktur, 370 Millionen für die Räumung von Landminen, fast 2 Milliarden Euro für den Häuserbau, 5,5 Milliarden für kritische Infrastruktur und dann noch einmal fast 3 Milliarden für den Privatsektor. Das sind insgesamt fast 14 Milliarden, die für den schnellen Wiederaufbau gebraucht werden. Und die Summe wird weiter steigen.

Wir schätzen aber auch die Militärhilfe des Westens. Das Patriot-Luftabwehrsystem, das Deutschland der Ukraine gegeben hat, rettet zum Beispiel jeden Tag Leben. Genauso die Gepard-Flugabwehr. Wir sind auf diese Militärtechnik angewiesen.

Sie sind Vorsitzender der ukrainisch-amerikanischen Parlamentariergruppe im Parlament. Wer unterstützt Sie besser, die Demokraten oder die Republikaner?
Wir haben Befürworter auf beiden Seiten und schätzen die Unterstützung beider Parteien gleichermaßen. Die USA sind unser strategischer Partner und helfen uns sehr.

Donald Trump gilt nicht als großer Unterstützer der Ukraine. Fürchten Sie seine Wiederwahl?
Wen die Amerikaner wählen, ist ihre interne Angelegenheit. Ich hoffe aber, dass sich die Unterstützung der Ukraine unabhängig vom Ergebnis sein wird. Denn die Amerikaner sind an einer starken und stabilen Ukraine interessiert. Es ist nicht nur unser Kampf, sondern ein Kampf für Demokratie und für die freie Welt. Wir teilen dieselben Werte.

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