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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Rande des Bürgerdialogs im Festspielhaus Neuschwanstein in Füssen.

© Action Press/Dwi Anoraganingrum

Keine Verschnaufpause beim Klimaschutz: Olaf Scholz braucht mehr Mut zur Zumutung

Der heißeste Monat seit Beginn der Messungen geht zu Ende und der Kanzler setzt auf Entspannung beim Klima. Warum das kein Rezept für die Zukunft ist – und Scholz das endlich sagen muss. 

Ein Kommentar von Ruth Ciesinger

Dieser Juli, das ist schon heute klar, wird der heißeste Monat seit Beginn der Temperaturmessungen sein. Brennende Wälder rund um das Mittelmeer liefern einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Der Kanzler wiederum gibt im Blick auf den Klimaschutz die Parole Entspannung aus und sich den Leitspruch, auch mal „fünfe gerade sein“ zu lassen.

Das ist verständlich. Leider ist es falsch.

Verständlich ist es deshalb, weil nach Coronakrise, Russlands Angriff auf die Ukraine, Angst vor Blackouts im Winter und Inflationssorgen die Erschöpfung groß ist, und mehr „Laissez-faire“, ein bisschen Durchatmen genau das zu sein scheinen, was geplagte Wählerinnen- und Wählerseelen brauchen.

Falsch ist es leider deshalb, weil der Klimawandel so weit fortgeschritten ist, dass ein „Jetzt-mal-halblang“ keine Verschnaufpause verspricht, sondern die Zukunft nur noch ungemütlicher macht. Denn die Wetterextreme, der Verlust an Pflanzen- und Tierwelt machen keinen Zwischenstopp, auch nicht vor der deutschen Haustür. Auch wenn aktuell einige kühle Tage manche bayerischen Wahlkämpfer das glauben lässt.

Selbst wenn alle aktuell gegebenen Zusagen zur Reduzierung von Treibhausgasen eingehalten würden, wäre die Welt nämlich gerade auf einem Weg hin Richtung 2,8 Grad, möglicherweise auch 3,2 Grad globale Durchschnittserwärmung. Also weit entfernt von der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens, und Deutschland trägt seinen Teil dazu bei.

Laut ihrem eigenen Projektionsbericht, der gerade zwischen den Ministerien abgestimmt wird, wird die Bundesregierung, wird Deutschland nicht nur die eigenen Klimaziele für das Jahr 2030 verfehlen. Auch die angestrebte Klimaneutralität im Jahr 2045 ist mit den aktuellen Maßnahmen nicht zu erreichen.  

Das sind unschöne Wahrheiten, die niemand gerne hören möchte. Gerade deshalb wäre es so wichtig, würde Olaf Scholz sie jetzt klar aussprechen. Irgendwie hat sich nach Pandemie-Ende und gar nicht so kaltem Winter ein Gefühl von „Wird schon irgendwie gut gehen“ eingeschlichen. Aber mit der Klimaphysik lässt sich eben nicht auf Zeit spielen, und deshalb braucht es jetzt den Mut des Regierungschefs zur Zumutung.  

Wenn wir wirklich eine Gesellschaft wollen, die keine fossilen Energieträger wie Öl, Gas und Kohle mehr verbraucht, die keine weiteren zusätzlichen Treibhausgase in der Atmosphäre ablagert, und die die natürlichen Ökosysteme nicht weiter zerstört, geht das nicht ohne spürbare Veränderungen, in der Wirtschaft, in der Landwirtschaft sowie im Leben eines jeden und jeder einzelnen. Und darüber, das sagt einem jeder Paartherapeut, muss auch gesprochen werden.

Die gute Nachricht ist, sehr vielen Menschen ist aber ebenfalls klar, dass der Klimawandel ein existenzielles Problem ist, und sie wollen, dass die Politik handelt.

Ruth Ciesinger

Olaf Scholz aber vermeidet dies bisher tunlichst. Über die Gründe kann spekuliert werden, an fehlender Information über das tatsächliche Ausmaß des Klimawandels liegt es hoffentlich nicht. Möglicherweise sorgt sich der Kanzler um den kleinsten Koalitionspartner, der sich oft als Vertreter fossiler Interessen geriert und der mit dem Verkehrsministerium auch ein extrem problematisches Ressort im Blick auf CO₂-Emissionen stellt.  

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Ganz sicher sorgt er sich um die Wählerinnen und Wähler, denen es mit den Veränderungen, siehe oben, erst einmal reicht. Die gute Nachricht ist, sehr vielen Menschen ist aber ebenfalls klar, dass der Klimawandel ein existenzielles Problem ist, und sie wollen, dass die Politik handelt.

Bürgerräte und andere Foren haben bereits gezeigt, dass viele Menschen, je mehr sie über die Folgen des Klimawandels auch für sich selbst und ihr direktes Umfeld wissen, zu teils weitreichenden Veränderungen bereit sind. Wichtige Voraussetzung dabei ist wieder: Klar zu sagen, wie die Situation aussieht, und was der Nutzen und die Folgen verschiedener Maßnahmen sind.

An den bereits deutlich spürbaren Klimawandel müssen wir uns ohnehin anpassen. Viele notwendige Veränderungen, zum Beispiel in der Stadtplanung oder im Verkehr, nutzen dann zudem wieder dem Klimaschutz sowie der Gesundheit des einzelnen. Die Zumutungen, die der Kanzler aussprechen muss, sind also nicht alle schlecht, im Gegenteil.

Dabei geht es auch um Respekt, ein Lieblingswort des Kanzlers, den Olaf Scholz den Wählerinnen und Wählern jetzt schuldet. Indem er sie ernst nimmt und offen sagt, was für Handlungsmöglichkeiten wir jetzt haben. Und dass nicht zu handeln, die wahre Zumutung wäre.

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