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Olaf Scholz und Recep Tayyip Erdoğan bei einem Staatsbesuch 2022 in Ankara

© AFP/Turkish Presidential Press Service/Murat Kula

Geplanter Besuch in Berlin: Rufe nach Ausladung Erdoğans

Der türkische Präsident soll Mitte November nach Deutschland reisen. Politiker von CDU und FDP fordern nach seiner jüngsten Hass-Rede die Ausladung.

Nach den Attacken des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gegen Israel, die USA und den Westen fordern Politiker von CDU und FDP eine Absage von dessen geplantem Besuch Mitte November in Berlin. Ein Termin für eine Reise Erdoğans ist bislang offiziell nicht bestätigt. In Berlin kursieren Planungen für einen Zeitraum in der zweiten Novemberhälfte.

„Eine Reise des türkischen Präsidenten nach Deutschland wäre zum jetzigen Zeitpunkt höchst problematisch“ sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle dem Tagesspiegel. Erdoğan sei ein „rhetorischer Brandstifter“. Seine „einseitigen und israelfeindlichen Aussagen sind für die Wahrnehmung der Lage im Nahen Osten in muslimischen und türkeistämmigen Communities in Deutschland maßgebend“, sagte Kuhle. Gezielt verschweige er den Terror der Hamas und das Selbstverteidigungsrecht Israels. Zudem schüre er antisemitische und israelfeindliche Klischees. Auf diese Weise wolle Erdoğan „die Türkei als muslimische Führungsmacht etablieren“.

Wenn Deutschland noch etwas Selbstachtung hat, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, Erdoğan auszuladen.

JU-Chef Johannes Winkel

Die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, forderte eine Ausladung Erdoğans. „Erdoğan hetzt, der Westen, damit meint er auch uns, hätte sich schuldig gemacht, feiert die Hamas“, sagte sie dem Tagesspiegel: „Wer so spricht, dem sollte in Deutschland kein roter Teppich ausgerollt, der sollte ausgeladen werden.“ Zuvor hatte der Vorsitzende der CDU/CSU-Jugendorganisation Junge Union, Johannes Winkel, der „Bild“-Zeitung gesagt: „Wenn Deutschland noch etwas Selbstachtung hat, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, Erdoğan auszuladen.“

Kritik am türkischen Staatschef übte auch Macit Karaahmetoğlu, SPD-Bundestagsabgeordneter und Präsident der Deutsch-Türkischen Gesellschaft. „Wenn die Hamas keine Terrororganisation ist, wie Herr Erdoğan es behauptet, dann gibt es überhaupt keine Terror-Organisationen auf dieser Welt. Er relativiert den Inbegriff terroristischer Taten, das Ermorden und Abschlachten unschuldiger Menschen“, sagte Karaahmetoğlu dem Tagesspiegel. Kanzler Olaf Scholz (SPD) werde „Erdoğan in aller Klarheit sagen, dass es absolut untragbar ist, die Verbrechen der Hamas kleinzureden. Wir brauchen aber die Türkei, die bei der Befreiung der Geiseln helfen kann.“

Hamas ist keine Terrororganisation, sondern eine Befreiungs- und Mudschaheddin-Gruppe, die für den Schutz ihres Landes und ihrer Bürger kämpft.

Der türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan vergangene Woche bei einer AKP-Veranstaltung

Der Druck auf den Kanzler, mit Erdoğan Klartext zu reden, wächst. „Bundeskanzler Scholz und die anderen westlichen Regierungschefs müssen alles tun, um Herrn Erdoğan beizubringen, dass er seine anti-semitische und anti-israelische Propaganda einstellen muss“, sagt Sergey Lagodinsky, grüner EU-Abgeordneter und Vorsitzender der EU-Türkei-Delegation im Europäischen Parlament, dem Tagesspiegel. Erdoğans Worte seien „inakzeptabel und hochgefährlich“, sagt Lagodinsky.

Erdoğan sieht Schuld an Israel-Konflikt bei westlichen Regierungen

Der Besuch Erdoğans in Berlin ist lange geplant, es handelt sich um seine erste Reise nach Berlin seit seiner Wiederwahl zum Präsidenten im Frühling. Themen dürften unter anderem die weitere Finanzierung des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals sein und die Flüchtlingspolitik insgesamt. Nach dem Erdbeben in der Türkei hatte sich das Verhältnis zwischen der EU und Ankara verbessert. Mit Erdoğans Wutrede vor seinen Anhängern, seinem Versuch, sich als der Vertreter der Muslime weltweit zu inszenieren, ist das nun wieder passé.

Bereits an diesem Donnerstag wird der türkische Außenminister Hakan Fidan in Berlin erwartet. Er soll an der Europakonferenz des Auswärtigen Amtes teilnehmen, bei der unter anderem Gastgeberin Annalena Baerbock (Grüne) reden wird. Am Rande der Konferenz wird es Gespräche zwischen Baerbock und Fidan über die Lage im Nahen Osten geben, teilte das Auswärtige Amt mit.

Erdoğan hatte das Vorgehen des israelischen Militärs im Gazastreifen, das eine Reaktion auf das Massaker der islamistischen Hamas am 7. Oktober in israelischen Grenzorten ist, mehrfach scharf kritisiert. „Westlichen Regierungen“ war er vor, hauptsächlich für die „Massaker“ im Gazastreifen verantwortlich zu sein. In der vergangenen Woche sagte er vor Anhängern seiner islamisch-konservativen Partei AKP in Ankara: „Hamas ist keine Terrororganisation, sondern eine Befreiungs- und Mudschaheddin-Gruppe, die für den Schutz ihres Landes und ihrer Bürger kämpft.“

Von deutscher Seite gab es in früheren Jahren schon die Befürchtung, Erdoğan könne mit aggressiver Rhetorik auch zu Spannungen innerhalb Deutschlands beitragen – teils im Rahmen des eigenen Wahlkampfes.

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