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Kanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte am Mittwoch stolz die Broschüre zur ersten Nationalen Sicherheitsstrategie.

© picture alliance / photothek/Kira Hofmann

Nationale Sicherheitsstrategie vorgestellt: Die Ampel hat einen Plan, aber ein Umbau gelingt ihr nicht

Erstmals versucht eine Regierung, den Gefährdungen der Sicherheit in Deutschland umfassend zu begegnen. Auf neue Institutionen kann sich die Ampel aber nicht einigen.

Von Hans Monath

Um große Worte waren der Kanzler und vier Ministerinnen und Minister nicht verlegen, als sie am Mittwoch stolz die mehr als 70 Seiten umfassende Broschüre zur ersten deutschen Nationalen Sicherheitsstrategie präsentierten. Die Bundesregierung rühmt sich darin, sie habe erstmals „in einem systematischen Gesamtansatz anhand eines breiten Sicherheitsbegriffs unser Sicherheitsumfeld analysiert und daraus konkrete Maßnahmen und Folgevorhaben abgeleitet“.

Auf eine Reform der außen- und sicherheitspolitischen Strukturen der Bundesregierung wie etwa auf die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates konnten sich die drei Partner der Ampel-Koalition aber nicht einigen.

Beschlossen worden war die Nationale Sicherheitsstrategie schon im Koalitionsvertrag. Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine und die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene „Zeitenwende“ machten das Vorhaben dann noch dringlicher. Denn auch Deutschlands Partner warten auf eine bündige Erklärung der Grundlagen deutscher Entscheidungen auf diesem Feld.

Nationaler Sicherheitsrat kommt nicht

Ziel der Strategie ist ein Zusammenwirken und Ineinandergreifen aller Mittel und Instrumente, um Deutschlands Sicherheit gegen Bedrohungen von außen zu stärken. Dazu sollen alle relevanten Politikbereiche und Akteure einbezogen werden. Dies reicht von der Landes- und Bündnisverteidigung über den Schutz von technischen Infrastrukturen und die Cyber- und Weltraumsicherheit bis hin zu Rohstoff-, Energie- und Ernährungssicherheit.

Die Sicherheitsstrategie nennt auch die Zivilverteidigung und den Bevölkerungsschutz, die Entwicklungspolitik, den Schutz vor fremder Einflussnahme und Spionage sowie den Umgang mit der Klimakrise und mit Pandemien. Einbezogen werden sollen Bund, Länder und Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger.

Die freiheitlich-demokratische Grundordnung soll gegen illegitime Einflussnahme verteidigt, die Abhängigkeit bei Rohstoffen und Energie durch Diversifizierung der Lieferbeziehungen abgebaut werden.

Die Ampel-Koalition will mit ihrer Sicherheitsstrategie die Bundeswehr stärken, unter anderem indem sie sich zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato für Rüstungsausgaben bekennt.

© dpa/Tobias Hase

Um Sicherheit zu gewährleisten, bekennt sich die Bundesregierung in dem Dokument unverrückbar zur Nato und EU und verspricht, die Bundeswehr zu stärken.

„Zunächst auch durch das neu geschaffene Sondervermögen Bundeswehr werden wir im mehrjährigen Durchschnitt unseren 2-Prozent-BIP-Beitrag zu den Nato-Fähigkeitszielen erbringen“, heißt es wörtlich. Damit soll die Nato-Vorgabe eingelöst werden, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Rüstung auszugeben.

Keine Kopplung von Rüstungsausgaben und Entwicklungshilfe

Die Grünen konnten sich dagegen nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und Diplomatie durch eine Eins-zu-eins-Quote an die Steigerung der Verteidigungsausgaben zu koppeln. Dazu gibt es im Text nur ein allgemeines Bekenntnis: „Für unsere Sicherheit sind eine starke Bundeswehr, handlungsfähige Diplomatie und engagierte Entwicklungszusammenarbeit in unterschiedlichen Formen gleichermaßen unerlässlich.“

Die FDP hatte vorgeschlagen, einen Nationalen Sicherheitsrat zur Koordination des Regierungshandelns zu schaffen, konnte sich aber nicht durchsetzen, da das Auswärtige Amt einen Machtverlust gegenüber dem Kanzleramt befürchtete. Dies sei „bedauerlich“, erklärte FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff am Mittwoch, da nun die Kohärenz der Außenpolitik nicht gestärkt werde. Strukturen und Prozesse müssten „so gestaltet werden, dass sie unseren Zielen dienen und es ermöglichen, über das Klein-Klein des Tagesgeschäfts hinaus langfristige Strategien zu entwickeln“.

Auch der Versuch von Außenministerin Annalena Baerbock, ein neues Sicherheitsgremium des Bundes zur Analyse von Risiken einzurichten, scheiterte.

Wir sehen, dass dabei die Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in den vergangenen Jahren zugenommen haben.

Die Nationale Sicherheitsstrategie über die Entwicklung Chinas

Zudem konnte sich die Bundesregierung nicht mit ihrem Vorhaben durchsetzen, im Katastrophenfall Kompetenzen an sich zu ziehen. Dies hätte eine Grundgesetzänderung vorausgesetzt, der Plan scheiterte am Widerstand der Länder.

Besonderen Augenmerk richtet die Strategie auf die autoritären Staaten Russland und China. „Das heutige Russland ist auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum“, heißt es.

Zu China schreibt das Dokument mit der auch in der EU gebräuchlichen Formel, das Land sei „Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“. Beschrieben wird, dass die Risiken steigen: „Wir sehen, dass dabei die Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in den vergangenen Jahren zugenommen haben.“ Zugleich bleibe China „ein Partner, ohne den sich viele der drängendsten globalen Herausforderungen nicht lösen lassen“. Die Einschätzung ist brisant, da am 20. Juni in Berlin deutsch-chinesische Regierungskonsultationen anstehen.

Ursprünglich sollte die Sicherheitsstrategie schon im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt werden. Dieser Termin hätte für große internationale Aufmerksamkeit gesorgt. So schnell konnten sich der Kanzler und Außenministerin, die beiden Hauptakteure im Verhandlungsprozess, aber nicht einigen.

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