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Rund 100 Menschen nahmen an der Wiedereröffnung des Einsteinturms teil, dessen Sanierung 1,25 Millionen Euro gekostet hatte.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Architekturikone mit Mängeln: Potsdamer Einsteinturm nach Sanierung wiedereröffnet

Zwei Jahre lang wurde der Potsdamer Einsteinturm für 1,25 Millionen Euro saniert. Nun kann das expressionistische Bauwerk wieder besichtigt werden.

Lange war er komplett eingerüstet, doch nun strahlt das Wahrzeichen des Wissenschaftsparks auf dem Telegrafenberg wieder wie neu: Am Dienstag wurde der Einsteinturm nach zweijähriger Sanierung durch die Baufirma Roland Schulze wiedereröffnet, nachdem etliche Bauschäden aus den letzten 20 Jahren behoben wurden. Nun hat auch die Öffentlichkeit wieder Zutritt zu dem architektonisch extravaganten Gebäude, das im kommenden Jahr seinen hundertsten Geburtstag feiert.

„Der Einsteinturm war zu seiner Zeit ein revolutionäres Bauwerk und das bedeutendste Sonnenteleskop Europas – und steht bis heute für wissenschaftliche Exzellenz des Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam und des Telegrafenberges“, sagte Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) bei dem Festakt, an dem rund 100 Menschen teilnahmen.

Der Einsteinturm ist eine Ikone expressionistischer Baukunst – und er ist der gebaute Mangel.

Philip Kurz, Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung, die die Sanierung mit 1,25 Millionen Euro finanziert hat

1,25 Millionen Euro hat die 2021 gestartete Instandsetzung gekostet. Übernommen wurden die Kosten von der Wüstenrot-Stiftung, die bereits die letzte Sanierung von 1997 bis 1999 finanziert hatte. Joachim E. Schielke, der Vorstandsvorsitzende der Wüstenrot Stiftung, betonte die Besonderheit des Gebäudes: „Dem Einsteinturm wohnte von Anbeginn ein experimenteller Gedanke inne.“

Einmal im Monat bietet die Urania Führungen durch den Turm an.
Einmal im Monat bietet die Urania Führungen durch den Turm an.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Blick ins Innere des Einsteinturms.
Blick ins Innere des Einsteinturms.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Dies galt sowohl für die Form als auch für den Inhalt: Errichtet wurde das Gebäude 1924 von dem Architekten Erich Mendelsohn nach Vorgaben des Astrophysikers Erwin Finlay-Freundlich, der mit dem Sonnenobservatorium Einsteins Relativitätstheorie experimentell beweisen wollte. Das Äußere des Turmteleskops sollte diesem Geist folgen, weshalb Mendelsohn ein Bauwerk mit phantastisch geschwungenen Formen mit ineinander fließenden Kanten entwarf, die in der Architektur der damaligen Zeit völlig neu waren.

Einsteins Reaktion war knapp

Alle Rednerinnen und Redner, die die ästhetische Klasse des Einsteinturms hervorhoben, erwähnten auch die bauphysikalischen Probleme, die die erneute Sanierung nötig gemacht hatten: „Der Einsteinturm ist eine Ikone expressionistischer Baukunst – und er ist der gebaute Mangel“, sagte Philip Kurz, Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung. Das Hauptproblem besteht darin, dass der 20 Meter hohe Turm aus zwei verschiedenen Materialien besteht: Ziegelmauerwerk und Beton. 

Da beide Stoffe unterschiedlich auf Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit reagieren, gibt es vor allem dort, wo ein Material in das andere übergeht, immer wieder Risse. „Das ist ein Grundfehler des Gebäudes, den man nicht beheben kann“, sagte Kurz. Mendelsohn hatte ursprünglich geplant, den ganzen Turm aus Stahlbeton zu bauen, doch die Kenntnisse mit dem Baustoff waren damals noch zu gering, um ein solche ambitioniertes Projekt zu realisieren. Schon drei Jahre nach Eröffnung des Turms fand die erste Sanierung statt, die jetzige Sanierung ist die neunte.

„Organisch“ - so soll Einstein selbst den Turm bezeichnet haben.
„Organisch“ - so soll Einstein selbst den Turm bezeichnet haben.

© Ottmar Winter / PNN

Der Festakt zur Wiedereröffnung des Einsteinturms auf dem Telegrafenberg.
Der Festakt zur Wiedereröffnung des Einsteinturms auf dem Telegrafenberg.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

„Ich kann ihnen einen Riss im Gebäude zeigen, der heute Abend wieder weg ist“, sagte Hagen Mehmel von Roland Schulze. Der Riss entsteht schlicht durch die Wärme der Sonne, die um das Gebäude wandert. Da manche Fugen gar nicht richtig geschlossen werden können, hat sich die Baufirma etwas besonderes einfallen lassen: Über eine Fuge im Bereich der Turmkuppel wurde eine Folie gelegt, die nicht direkt mit dem Bauwerk verbunden ist. Auf der Folie befindet sich eine Klebeschicht, über die dann der Putz aufgebracht wurde. Die Fuge kann dadurch beweglich bleiben, aber die Folie dämpft deren Bewegungen, so dass der Putz weniger schnell Risse bekommt.

Von Albert Einstein, der das Gebäude selbst mehrmals besucht hatte, ist übrigens nur eine einzige Wortäußerung zum Einsteinturm überliefert: „Organisch!“, soll er einst gesagt haben. „Einstein hat sich nicht besonders für Architektur interessiert, er war eigentlich nur an Wissenschaft interessiert“, sagte Pablo von Frankenberg, der die digitale Ausstellung „Einsteinturm revisited“ entwickelt hat. In dieser können Interessierte ab sofort unter www.einsteinturm.com den Turm digital besichtigen und zahlreiche Querschnitte und Fotos aus dem Inneren sehen.

Doch auch real ist ein Besuch des Einsteinturms möglich: Die Urania Potsdam bietet von September bis April an jedem ersten Samstag im Monat um 10 Uhr eine Führung durch den Wissenschaftspark an, inklusive des Einsteinturms.

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