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2023_Anfrage Calvez  Inv.-Nr. Bild Donnerstag, 25. Mai 2023 Inventarnummer Objektbezeichnung FS 2504 Negativ Titel (Museumsobjekt) Künstler (Personenstammdaten) Entstehungszeit Eingang zum Garnisonmuseum im Marstall zur Schloßstraße hin Hersteller: Städtische Lichtbildstelle Potsdam 1932 (05. Nov.) FS 15326 Reproduktion Uniformpuppe im Garnisonmuseum, Reiter vom Regiment Towarczys 1806 Fotograf: Unbekannt 1933 (um) FS 15348 Bildpostkarte Garnisonmuseum Potsdam Fotograf: Werner, H. 1930 (um) FS 20370 Mappe Mappe mit 14 Aufansichten des neu eingerichteten Garnisonmuseums Fotograf: Baur, Max 1938/1939 

© Potsdam Museum

Wie aus einem Stall das Garnisonmuseum wurde: Eine Reise durch Potsdams bewegte Militärvergangenheit

Im Umgang mit deutschen Militaria ist viel Sensibilität gefragt. Oberstleutnant Heiner Bröckermann ist hierfür Experte – und kennt die Historie des Potsdamer Garnisonmuseums wie kein anderer.

Die deutsche Militärgeschichte ist keine einfache. Gerade mit Blick auf die nationalsozialistische Vergangenheit erfordert der Umgang mit Militaria – historischen Artefakten aus dem Bereich des Militärs – einiges an Sensibilität. Ein Experte auf diesem Gebiet ist Oberstleutnant Heiner Bröckermann. Am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam ist er für die historische Bildung zuständig, außerdem leitet er im Förderverein des Potsdam Museums den Arbeitskreis Militärgeschichte.

Eines seiner Fachgebiete: die Geschichte des Garnisonmuseums, das vor exakt 100 Jahren im Marstall, dem heutigen Filmmuseum, eröffnet wurde. Zu ebendiesem Thema referierte Bröckermann am Donnerstagabend im Potsdam Museum. Rund 40 Besucher wohnten dem Vortrag des Fachmanns bei, der sich in seinen Ausführungen insbesondere auf das Sammeln von Militaria nach dem Ersten Weltkrieg konzentrierte. Und derer gab es viele.

Die militärisch geprägte Gesellschaft verlangte nach Würdigung der Soldaten

In der damals stark militärisch geprägten Gesellschaft war der Wunsch nach dem Erhalt dieser Quellen für die Zukunft groß, weiß Bröckermann. Auch die Leistungen der Kämpfer an der Front wollte man würdigen – heute undenkbar, in der jungen Weimarer Republik jedoch ein selbstverständlicher Gedanke. 217 Sammlungen gab es laut Bröckermann in Deutschland, sowohl öffentliche wie auch private. Potsdam konnte überraschenderweise keine vorweisen. Zudem drohte die Stadt, so berichtet es der Fachmann, nach dem Krieg als Residenz- und Soldatenstadt an Bedeutung zu verlieren.

Dem wollte Friedrich Bestehorn (1888-1946), ein Potsdamer Obermagistratsrat und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kurzzeitig provisorischer Oberbürgermeister, etwas entgegensetzen. Zu seinem umfassenden Aufgabengebiet gehörte, so erfährt man im Vortrag des Oberstleutnants, unter anderem der Tourismus. Und er war Mitgründer des Museumsvereins im Jahr 1909. Seine Pläne, im Marstall ein Haus für Kunst und Wissenschaft zu errichten, wurden zwar zunächst als zu teuer abgelehnt, doch im April 1922 stimmten die Stadtverordneten der Einrichtung eines Museums zu. In die Karten spielte Bestehorn laut Bröckermann die Tatsache, dass die Pläne für ein Reichkriegsmuseum in Berlin im letzten Kriegsjahr 1918 aufgegeben worden waren. So konnte er sich einen Teil des Fundus, unter anderem 92 Gemälde, aus dem Berliner Zeughaus sichern.

Mit 58 Uniformpuppen, 113 großen Schlachtengemälden, vier riesigen Porträts und zahlreichen Zeichnungen sowie Gemälden aus der Zeit des Ersten Weltkriegs eröffnete das Museum im Mai 1923 – nur fünf Jahre nach Kriegsende. „Vom Stall zum Museum“ titelte damals die „Deutsche Allgemeine Zeitung“. Und tatsächlich erinnerte vieles noch an einen Stall. Die Pferdeboxen waren zu Ausstellungskojen umfunktioniert. An ihren gekachelten Rückwänden hingen die Gemälde.

Der Eingang zum Garnisonmuseum im Marstall zur Schloßstraße hin in den 1930er-Jahren.
Der Eingang zum Garnisonmuseum im Marstall zur Schloßstraße hin in den 1930er-Jahren.

© Potsdam Museum

In der Stadt sei man stolz gewesen, sagt Heiner Bröckermann. Den damaligen Oberbürgermeister und später überzeugten Nationalsozialisten Arno Rauscher zitiert er wie folgt: „Potsdams Entwicklungsgeschichte ist eine Soldatengeschichte. Die Stadt hätte einen großen Fehler begangen, wenn sie dieses Museum nicht errichtet hätte.“ Die Potsdamer und ihre Besucher interessierten sich trotz allen militärischen Stolzes nach dem verlorenen Krieg nicht allzu sehr für das Museum. Zählungen aus dem Jahr 1927 ergaben, dass 189.000 Menschen Sanssouci und 26.501 das Schloss besuchten. 50.000 Besucher zählte die Garnisonkirche. Ins Garnisonmuseum verirrten sich lediglich 4.300.

Die Nazis nutzen das Museum für die militärische Erziehung

Es gab diverse Versuche, die Besucherzahlen zu steigern, weiß Bröckermann. Beispielsweise mit Werbeaufstellern, einer auffällig farbigen Eingangstür und einem Heizungseinbau. Doch noch 1937 – Hitler hatte bereits die Macht ergriffen und der Zweite Weltkrieg war nicht mehr weit entfernt – resümierte der inzwischen im Amt befindliche NSDAP-Oberbürgermeister Hans Friedrichs: „So trödelig, ungeordnet, chaotisch und schmuddelig wie bisher kann das nicht bleiben“. In der Hochzeit des Nationalsozialismus beauftragte er ein neues Konzept für ein „schönes, wärmeres und saubereres“ Museum. Zu dieser Zeit war das Garnisonmuseum bereits das einzige noch geöffnete in Potsdam. Kein Wunder: Es sollte vor allem auch der militärischen Erziehung dienen.

Reproduktion einer Uniformpuppe im Garnisonmuseum, Reiter vom Regiment Towarczys 1806.
Reproduktion einer Uniformpuppe im Garnisonmuseum, Reiter vom Regiment Towarczys 1806.

© Potsdam Museum

1944, berichtet der Experte weiter, wurden Teile des Fundus in die Schlösser Paretz und Pretzsch (Sachsen-Anhalt) ausgelagert. Andere Teile fielen im April des gleichen Jahres einem Brand zum Opfer. 1945 sei, so Bröckermann, „die Episode Garnisonmuseum“ beendet gewesen. Im Juni 1945 zählte man noch 186 Gewehre, 24 Pistolen, 184 Säbel und 10 Lanzen. Fünf Jahre später kamen sie wieder dorthin zurück, wo Bestehorn sie hergeholt hatte: ins Zeughaus nach Berlin.

Wo hat der Krieg im Frieden seinen Platz?

Nach dem Ende der Hitler-Diktatur bestand in Nachkriegsdeutschland nur wenig offen gezeigtes Interesse an den Militaria. Und so überrascht es auch nicht, dass viele der damals aus dem Museum verschwundenen Relikte bis heute verschollen sind. Der Museumsvereinsvorsitzende Markus Wicke ist sich sicher, dass auf dem Boden oder im Keller so manches Potsdamer Privathaushalts noch einige Stücke liegen, die möglicherweise irgendwann zufällig wiederentdeckt werden. Ein solcher Fund trug sich beispielsweise 2018 zu: 15 stark beschädigte Offiziersporträts tauchten unerwartet wieder auf. Unerwartet auch deshalb, da sie laut eines Protokolls aus dem Jahr 1950 eigentlich hätten vernichtet werden sollen.

„Wo hat der Krieg im Frieden seinen Platz?“, lautet eine der von Heiner Bröckermann in seinem Vortrag gestellten Fragen. Abschließend beantworten lässt sich diese aktuell nicht. Beschäftigen wird sie Historiker und Fachleute vermutlich noch häufiger – nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Weltereignisse.

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