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„Pli“ ist nochmals am 4.6. um 16 Uhr auf dem fabrik-Vorplatz zu sehen. Eintritt frei.

© Erna Schielden

Menschliche Hybris, ein Kinderspiel: „Pli“ bei den Potsdamer Tanztagen

Das Gastspiel von Viktor Černický auf dem Vorplatz der fabrik stellt die Frage aller Fragen für Kinder und Künstler: Wie weit kann ich gehen?

Wie weit reicht der menschliche Ehrgeiz? „Pli“, das Gastspiel aus Prag bei den diesjährigen Tanztagen, macht es vor: bis in den Himmel, genau 22 Stühle hoch. Hybris hat hier nichts Böses, Eitles, schicksalhaft Aufgeladenes, sondern wird als der spielerische Urtrieb gezeigt, der hinter jedem Entdeckerimpuls steht, ob in der Kindheit oder in der Kunst: Wie weit kann ich gehen?

Wie gut dieser Ansatz verschiedenste Alter anspricht, war bei der ersten Aufführung auf dem Platz vor der fabrik am Freitag (2.6.) zu beobachten. Die Gäste: Kinder zwischen zwei und vierzehn Jahren. Alle staunten sie, wenn auch nicht alle im selben Moment. Das Schöne an Freiluftveranstaltungen ist ja, dass man sich zerstreuen kann. Wind und Sonne und Lieferwagen buhlen mit der Kunst um Aufmerksamkeit.

Die Grundidee von „Pli“ ist denkbar einfach. Ein Mann (Viktor Černický), dessen gerade Rücken und baumelnde Arme an John Cleese von Monty Python erinnern, überlegt mit großem Ernst und voller Konzentration, was sich mit 22 Bürostühlen alles anstellen lässt. Dabei tanzt die ganze Zeit ein Rhythmus in ihm, der Fuß hämmert auf den Boden, mal langsamer, mal schneller. Ein Impuls, der ihn voranpeitscht. Sein Puls?

Also: Mann kann die Stühle im Halbkreis aufstellen, als lange Dominoreihe auf den Boden legen, in Zweierpaaren übereinanderstapeln. Man kann die Stuhlbeine aber auch in einer wackeligen Konstruktion so übereinanderlegen, dass ein spinnenartiges Geschöpf daraus wird. Oder, das Beste, Spannendste: Man kann die Stühle übereinanderstapeln, bis sie fast den frühsommergrauen Himmel berühren. Da hört einen Moment lang das Zucken im Fuß von Viktor Černický auf. Ein paar kleine Mädchen in der ersten Reihe juchzen in Erwartung, dass der Turm fallen wird, in der letzten Reihe schließen Teenagerjungs Wetten ab: Wenn der Stuhlturm kippt, gibt es 5 Euro. Inklusiver, empathischer kann Tanztheater wohl kaum sein.

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