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Jan-Martin Wiarda

© Tagesspiegel/Nassim Rad/Tagesspiegel

„Wiarda will’s wissen“: Sparkurs an Universitäten wegen Deutschland-Ticket?

Der Reiz eines „Scheinstudiums“ vergeht, seit das 49-Euro-Ticket das Semesterticket abgelöst hat. Damit sinkt auch die Zahl der Studierenden – und damit auch das Geld für die Unis.

Eine Kolumne von Jan-Martin Wiarda

Im Wintersemester wird es an der Technischen Universität Dortmund kein Semesterticket mehr geben, hat das dortige Studierendenparlament beschlossen. Die entsprechenden Verträge mit dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr würden nicht verlängert, berichtet der WDR vergangene Woche. Kein Wunder: Seit es das Deutschland-Ticket gibt, hat sich der monetäre Vorteil der einst so begehrten Studierendenfahrscheine in vielen Hochschulregionen fast vollständig erledigt. Studierendenvertretungen bundesweit ziehen die Reißleine.

Das tun offenbar auch viele Menschen, die man in der Vergangenheit als Scheinstudierende bezeichnete. Sie immatrikulierten sich an einer Hochschule, belegten aber wenige bis keine Lehrveranstaltungen. Doch im Gegenzug für ihre Semestergebühren erhielten sie unter anderem eine verbilligte Krankenversicherung – und mit dem Semesterticket einen unschlagbar preiswerten Fahrschein für Bus und Bahn.

Allerdings geht auch diese Rechnung mit der Einführung der 49-Euro-Alternative oft nicht mehr auf. Ob sich das wieder ändert, falls die Verkehrsminister von Bund und Ländern irgendwann doch noch die diskutierte Lösung für ein studentisches Deutschlandticket präsentieren, bleibt abzuwarten.

Für den Moment jedoch gilt: Vor allem Großstadt-Universitäten rechnen mit teilweise deutlichen Rückgängen ihrer Studierendenzahlen – oder beobachten sie bereits. Erste Einschreibestatistiken fürs Wintersemester dürften in wenigen Wochen vorliegen. Eine Entwicklung, die nicht nur die Einnahmen der Studierendenwerke aus Sozialbeiträgen schmälert, sondern insgesamt zu einem hochschulpolitisch äußerst ungünstigen Zeitpunkt kommt. Der Spardruck in den Länderhaushalten steigt, die Finanzminister schauen nach links und rechts – und freuen sich über jede Gelegenheit zum scheinbar schmerzfreien Umsteuern.

Zwar wird der Hochschulbetrieb durch das Wegbleiben tausender Scheinstudierender um keinen Cent kostengünstiger, aber auf dem Papier ergeben sich bessere Betreuungsrelationen. Hinzu kommt, dass die bundesweiten Studienanfängerzahlen bereits seit 2018 deutlich zurückgegangen sind, im Wintersemester 2022/23 gab es zwar wieder einen Mini-Anstieg, aber hier schlagen tatsächlich die kleiner werdenden Geburtsjahrgänge durch.

Umso schwieriger wird es für die Hochschulen, trotz voraussichtlich rekordverdächtiger Tarifforderungen im Oktober für das nötige deutliche Wachstum ihrer Grundfinanzierung plädieren, während anderswo gespart wird und ihre Studierendenzahlen im Schmelzen begriffen sind.

Und umso erleichterter dürften diejenigen Wissenschaftsminister sein, die gerade erst die Finanzierung ihrer Hochschulen für die nächsten Jahre neu gesichert haben, allen voran Berlins SPD-Senatorin Ina Czyborra, mit wirklich bemerkenswerten fünf Prozent mehr jedes Jahr bis 2028. Die anderen brauchen jetzt starke Nerven. Und gute Argumente.

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