zum Hauptinhalt
Der Prozess findet am Landgericht statt.

© Sebastian Gabsch

Psychiater sagt im Waldstadt-Mordprozess aus: Angeklagter „ist ein gefährlicher Mann“

Christian P. hat laut Gutachten schwere Persönlichkeitsstörungen. Ein Experte hält die Rückfallprognose aktuell für sehr ungünstig.

Der Angeklagte im Waldstadt-Mordprozess hat offenbar schwere Persönlichkeitsstörungen und psychologische Probleme. Das ist das Ergebnis des psychologischen Gutachtens über Christian P., das am Mittwoch im Landgericht über mehrere Stunden hinweg vorgestellt worden ist. Nun muss die Erste Strafkammer am Gericht entscheiden, was dies für das Strafmaß bei einer Verurteilung bedeutet. Der 41-Jährige muss sich wegen des mutmaßlichen Mordes an seiner Ex-Partnerin verantworten. Die Tat mit einem Messer war als außergewöhnlich brutal geschildert worden.

Im Gericht sprach der forensische Psychiater Alexander Böhle von mehreren sich überlappenden Störungen bei dem Mann: Er bescheinigte ihm, sozial desintegriert zu sein, Schizophrenie, starken Narzissmus, emotionale Instabilität, Borderline-Symptome und Drogensucht. All dies sei am Tattag kulminiert. Dort habe er Amphetamine konsumiert. Zuvor hatte ihn seine Partnerin verlassen, deren Wohnung er dennoch aufsuchte. Böhle sprach in dem Zusammenhang von Wut, Enttäuschung und Vernichtungsfantasien bei dem Angeklagten – und zugleich von einer verminderten Schuldfähigkeit. Nach der Tat habe er sich schnell reuig gezeigt.

Es ist nicht aussichtslos.

Psychiater Alexander Böhle vor dem Landgericht

Wegen der schweren sozialen Störung und dazu der Schizophrenie und der Drogensucht sei die Rückfallprognose aktuell sehr ungünstig, machte Böhle deutlich: „Er ist ein gefährlicher Mann.“ So attestierte er dem Angeklagten eine kaum ausgeprägte Kompromissfähigkeit und mangelnde Rücksichtnahme – bei zugleich schweren Verlustängsten im Umgang mit anderen Menschen. Er empfahl eine möglichst engmaschige Sozial- und Psychotherapie in einer anderen Einrichtung als bisher, möglichst auch in einem anderen Bundesland als Brandenburg: „Es ist nicht aussichtslos.“ Das Urteil wird im November erwartet.

Im Gericht ging es auch um frühere Vergehen des Angeklagten, der sich schon seit mehr als 20 Jahren immer wieder strafbar gemacht hat - sei es wegen Diebstahl, Trunkenheit im Straßenverkehr oder Körperverletzungen. Der Angeklagte komme aus problematischen Familienverhältnissen, sei übermäßig gezüchtigt worden durch den Vater und in der Schule gescheitert, hieß es. Ab der Teenagerzeit soll er schwere Alkohol- und Drogenprobleme sowie später wahnhafte Störungen gehabt haben. Demnach hörte er Stimmen und glaubte laut Gutachter, ein neuer Messias zu sein.

Mehr als 20 Vorstrafen wurden im Gericht verlesen

Mehrfach sei der Angeklagte gegen Frauen gewalttätig geworden, die ihm nahestanden und von denen er sich gekränkt gefühlt habe. Einmal habe er das Handy einer Freundin weggenommen, die nicht mehr mit ihm zusammen sein wollte – und soll danach Personen mit einem Messer angegriffen haben, die ihr das Mobiltelefon zurückholen wollten.

Ferner verbrachte er in den 2010ern bereits einige Jahre in der Psychiatrie, nachdem er 2010 nach einem Trinkgelage einer weiteren Ex-Freundin nach einem Streit einen Teil des Daumens abgebissen haben und sie mehrfach mit dem Kopf auf den Boden geschlagen sein soll. Schon damals habe er keine genaue Erinnerung an den Vorfall gehabt, seine Steuerungsfähigkeit sei aufgehoben gewesen, hieß es in dem Urteil von damals.

Fall Thema im Innenausschuss

Am Donnerstag ist der Fall auch Thema im Innenausschuss des Landtags – wo es um mögliche Behördenfehler bei der Beurteilung der Gefährlichkeit des Angeklagten geht. Das untersucht das Justizministerium des Landes derzeit. Die ihn behandelnde Psychiatrie hatte mehr Zeit für die Therapie beantragt, was das Landgericht Frankfurt/Oder abgelehnt hatte – trotz Warnungen, auch von der Bewährungshelferin.

Psychiater Böhle lobte das dichte Helfernetzwerk, das immer wieder herausgefordert gewesen sei wegen des intransparenten Agierens des Angeklagten, der etwa über seine aktuellen Partnerinnen gelogen und „manipulativ“ informiert - und dabei stets auf Eigenständigkeit gepocht habe. Die Helfer hätten immer im Konflikt gestanden, nicht den Kontakt zu verlieren oder ihm nachzugeben, als er zum Beispiel zu seinem späteren Opfer ziehen wollte.

Das seien schwierige Abwägungsfragen, sagte Böhle. Er vermied es aber, die getroffenen Entscheidungen explizit zu kritisieren oder zu loben. Der Psychiater schilderte, dass der Angeklagte in einem Gespräch auch mehrfach die Helfer beschuldigt hatte, sich nicht genug gekümmert zu haben – und die Tat sogar als Unfall dargestellt habe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false