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„The Ceremony of weight“ machte beim 4. Radar-Festival den Auftakt.

© Erich Malter

Mit Kampfkunst zum Körperbewusstsein: Radar-Festival, die vierte

Das Radar-Festival für Junges Figurentheater im T-Werk und hat zum vierten Mal sehr ungewöhnliche Produktionen im Gepäck.

Von Astrid Priebs-Tröger

Die Bühne hat sich in den Berliner Boxclub „Boxgirls“ verwandelt, als am vergangenen Donnerstag (23.3.) das vierte Radar-Festival für junges Figurentheater im T-Werk beginnt. Es ist eine von zwei unterschiedlichen Locations an diesem Abend und Teil von „The ceremony of weight“. Darin entführen Rafi Martin und Julika Mayer sowie Tectonique das Publikum zu einem Boxverein mit queerem und antirassistischem Fokus.

Auf der T-Werk-Bühne ist dieser symbolisiert durch einen Lichtkegel im ansonsten dunklen Raum, in dem im Abstand von zwei Metern zwei Stahlseile von der Decke hängen. Das eine befestigt eine Klettergurt-Schlinge wie zum Bergsteigen und das andere eine Aqua Punching Bag, ein schwarzer Sack in Tropfenform, der im Innern mit Wasser gefüllt werden und circa 35 Kilogramm auf die Waage bringen kann.

Den eigenen Raum nehmen und ausdehnen

Eine androgyn wirkende Person (Rafi Martin), die kurz darauf die Bühne betritt, beginnt einen intensiven Monolog zu den Themen Masse, Gewicht und Kraft. Und forscht als queere Person, die äußerlich als weiblich gelesen werden kann, sich selbst jedoch als männlich definiert, wie sie beim Boxsport – und auch bei Kampfkunst wie Karate – den eigenen Raum einnehmen und ausdehnen kann.

Zu erleben sind dabei wunderbar tänzerische Passagen wie die Beinarbeit beim Boxen, sowie immer wieder das Hängen und Schwingen in der Schlaufe im fortlaufenden Versuch, ein ungefähres Gleichgewicht mit der halb so schweren Punching Bag auszubalancieren. In einer skulpturalen Wolke aus Licht und Ton (Joachim Fleischer und Méryll Ampe) entsteht dabei ein tiefgründiger und berührender autobiografischer Essay, der am Ende auch die Geschichte eines jungen Menschen aufgreift, der erst durch Karatetraining ein selbstbewusstes und vor allem selbstbestimmtes Verhältnis zu seinem eigenen Körper aufbauen konnte.

Allein in einer fremden Wohnung

Um Berührungen und Sexualität geht es in der immersiven Installation „mysharedspace“ vom gleichnamigen Kollektiv. Die zweite Location an diesem Abend ist eine fremde, liebe- und geschmackvoll eingerichtete Wohnung, die man allein betritt. Die Idee dazu entstand durch Erfahrungen mit Online-Dating-Plattformen und Couchsurfing. Das (Frauen-)Kollektiv um die Regisseurin Christina Schellhaas und Bühnen- und Kostümbildnerin Larissa Jenne hat in diversen Möbelstücken skurrile hölzerne Puppen platziert, die mit dem jeweiligen Besucher in einen Dialog treten. „Du riechst gut“ wispert bereits eine Stimme an der Wohnungseingangstür und es werden einige weitere Komplimente und auch sehr intime Fragen folgen.

Die kurzen Gespräche, die man mit den unsichtbaren Stimmen oder den plötzlich auftauchenden Puppen führt, kreisen um die Themen körperliche Berührungen, eigene frühere Begegnungen und Sexualität und man kann dabei selbst entscheiden, in welchem Grad man sich darauf einlässt. Ob man sich beispielsweise in die Badewanne oder ins breite Doppelbett legt, auf dem ein riesiger weißer Krake plötzlich sehr lebendig wird und seine zahlreichen Arme nach einem ausstreckt. Oder den Kühlschrank öffnet, in dem unter anderem eine beachtliche Sexspielzeugsammlung platziert ist.

Nicht zum ersten Mal waren solche interaktiven Installationen im T-Werk zu erleben. Indem sie Radar und Unidram zeigen, bieten sie jungen Künstler:innen, die sich gerade erst auf den Weg gemacht haben, eine Plattform und ein Publikum. Von Julika Mayer gibt es in Zusammenarbeit mit der Puppenspielerin Karoline Hoffmann an allen Festivaltagen auch ein Materialtheaterstück für Kinder ab 2 Jahren zu erleben. Die Hauptrolle spielt hier: eine goldglänzende Rettungsdecke.                                                                

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