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In insgesamt 250 Fotografien hielt Eberhard Thonfeld ab 1977 das Leben im Holländischen Viertel fest.

© Eberhard Thonfeld/Eberhard Thonfeld

Zeitreise durch Potsdamer Wahrzeichen: Neuer Bildband über das Holländische Viertel

Während der DDR-Zeit verfielen die Backsteinbauten. Eberhard Thonfeld hat sie damals fotografiert. Das Buch mit mehr als 250 Abbildungen ist jüngst erschienen.

Bis zur Wende 1989 waren acht Ziegelstein-Häuser des Holländischen Viertels saniert. 126 Gebäude warteten auf die Restaurierung und Sanierung. Nicht vergeblich. In einem der wieder hergestellten Gebäude in der Mittelstraße, ganz in der Nähe der Friedrich-Ebert-Straße, wohnte zu DDR-Zeiten ein ABV-Mann, ein Abschnittsbevollmächtigter, ein Volkspolizist mit seiner Familie. Seine Wohnung verfügte über Annehmlichkeiten, die man im Holländischen Viertel ansonsten vermisste. Ihm waren wohl die meisten Bewohner des Areals bekannt.

Eines Tages schlenderte ein Paar durch die Mittelstraße, hatte dieses und jenes Haus im Visier, drückte auch mal die Haustürklinke herunter, um hinter die bröckelnde Fassade zu schauen. Plötzlich stand der gewichtige Polizist hinter ihm und fragte. „Was machen Sie denn hier?“ Dass sie aus Geschichtsinteresse das Viertel besichtigen wollten, interessierte den ABV-Mann nicht. „Hier gibt es nichts zu sehen“, war seine rigorose Mitteilung. Irgendwie hatte er recht, denn damals gab es kaum einen Grund, das Holländische Viertel, das König Friedrich Wilhelm I. ab 1732 als Wohnquartier für niederländische Handwerker errichten ließ, zu besuchen. Die Häuser, die wie Gardesoldaten stramm aufgereiht standen, waren mittlerweile wacklig geworden.

In insgesamt 250 Fotografien hielt Eberhard Thonfeld ab 1977 das Leben im Holländischen Viertel fest.
In insgesamt 250 Fotografien hielt Eberhard Thonfeld ab 1977 das Leben im Holländischen Viertel fest.

© Eberhard Thonfeld/Eberhard Thonfeld

Der Meinung des Abschnittsbevollmächtigten hätte sich Eberhard Thonfeld nicht angeschlossen. Für ihn gab es in dem Areal viel zu entdecken. Seine Eindrücke hat der aus Jena stammende Wahl-Potsdamer ab 1977 mit der Kamera eingefangen und dokumentiert. Für seine Diplomarbeit als Fotografie-Student an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst hat er das Holländische Viertel regelrecht durchstöbert und eindrucksvolle Bilder geschaffen. Es ist ein Konvolut von mehr als 250 Fotografien entstanden, das das Potsdam Museum mithilfe der Fielmann Stiftung ankaufte.

Nun hat das Museum gemeinsam mit seinem rührigen Förderverein aus der Foto-Dokumentation ein Buch zusammengestellt und mit dem Titel „Ein ganzes Viertel Leben“ veröffentlicht, hervorragend gestaltet von Peter Rogge, meisterlich hergestellt von der Druckerei von Christian und Cornelius Rüss. Mit poetischen Assoziationen wartet René Granzow auf und Eberhard Tempel hat ein lesenswertes Nachwort hinzugefügt. Man spürt bei allen Beteiligten, dass es ihnen ein besonderes Anliegen war, dieses Buch den Potsdamern und ihren Gästen in die Hände zu geben.


Dachlandschaft. Der Blick vom Rundgiebelhaus der Mittelstraße 35.
Dachlandschaft. Der Blick vom Rundgiebelhaus der Mittelstraße 35.

© Eberhard Thonfeld

Düster-ernste Gesichter

Mit Eberhard Thonfelds fotografischer Zeitreise wird deutlich, dass viel historische Substanz auf dem Spiel stand. Die Bilder bewegen, berühren, sind spannend und zugleich erschreckend sowie zornig machend. Zorn darüber, weil die DDR-Oberen Zeugen der Geschichte fast ausradierten und ihren Bürgern Wohnverhältnisse zumuteten, die eigentlich unerträglich waren. Die Schwarz-Weiß-Fotos verdeutlichen das Grau des Areals noch intensiver. Besonders interessierte den Fotografen die Menschen, die im Viertel wohnten: Handwerker, die als Orgelbauer, Bäcker oder Glaser arbeiteten.

Vor allem kamen alte Menschen innerhalb ihrer Wohnungseinrichtungen und verlassenen Gewerberäumen aufs Bild, mit düster-ernsten Gesichtern.  „Die alten Leute hingen dort alle fest, weil sie Besitz hatten oder schon immer dort gelebt und ihr Geschäft betrieben haben: Und die jungen Leute, die wollten alle weg. Die wollten an den Rand der Stadt, in diese wunderbaren prächtigen Neubaugebiete“, sagte Eberhard Thonfeld mit einem ironischen Unterton. Manche Bewohner haben sich auf den Hinterhöfen eine eigene Idylle geschaffen, in der sie ihre Freizeit verlebten. Eberhard Thonfeld hat auch Kinder in ihrem fröhlichen Treiben fotografiert. Die Hoffnung erschöpft sich nicht.

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