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Der Wohnkomplex Staudenhof am Alten Markt soll abgerissen werden. Dagegen gibt es Widerstand.

© Andreas Klaer,PNN,Tsp / Andreas Klaer

Abriss oder Sanierung?: So argumentieren die Potsdamer Fraktionen in der Staudenhof-Debatte

Seit Wochen wird in der Stadt über den Umgang mit dem DDR-Wohnblock diskutiert. Die PNN veröffentlichen hier die Positionen von neun Stadtverordneten zum Thema.

Es ist aktuell eines der beherrschenden Themen in der Stadtpolitik: Die Debatte, ob der Wohnblock Staudenhof am Alten Markt abgerissen oder saniert werden soll. Die Frage galt längst als entschieden, bis im vergangenen Jahr eine neue Initiative „Rettet den Staudenhof“ einen letzten Versuch unternahm, die Beschlusslage zu ändern.

Neu daran waren vor allem die bekannten Unterstützer, zum Beispiel der bekannte Potsdamer Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber. Am kommenden Mittwoch findet in der Stadtverordnetenversammlung die entscheidende Abstimmung zum Thema statt. Nach einer ersten Vorentscheidung im Bauausschuss stehen die Zeichen weiter auf Abriss.

An dieser Stelle veröffentlichen die PNN nun Meinungsbeiträge von Befürwortern und Gegnern des Abrisses im Stadtparlament.

Der Vorschlag zur Sanierung ist „ein Alptraum“

Seit Wochen verschärft sich die Diskussion um die Zukunft des Staudenhof-Areals, die – eigentlich – durch einen Beschluss der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung vom Mai 2021 entschieden ist. Eine Initiative mit gut 500 Unterstützer:innen, davon zahlreiche außerhalb Potsdams, präsentiert nahezu täglich neue „Erkenntnisse“, die in manchen Medien gar als „explosiv“ dargestellt werden.

Jüngster „Leak“: Die Summe von 6,5 Millionen Euro, mit der eine Sanierung des maroden Plattenbaus finanzierbar sei. Aufgrund der Brisanz werde der Wert mittels „Zahlentrickserei“ von Stadt und ProPotsdam verschleiert – so die Initiative. Diese Zahl aus dem „Puche-Gutachten“ zum Staudenhof bezieht sich allerdings auf ein Sanierungsszenario, in dem lediglich „Unzulänglichkeiten“ beseitigt werden, aber eine allumfassende Sanierung unter Beibehaltung der tragenden Gebäudestruktur als „kaum umsetzbar“ beschrieben wird. Sprich: eine Minimalvariante zum bloßen Bestandserhalt. Mitgeliefert wird ein visualisierter Vorschlag „Sanierter und erweiterter Staudenhof“: ein eng verdichteter und großteils verschatteter Gebäudekomplex – ein Alptraum.

Letztlich könnte man mit diesem Argument jedes Bauvorhaben stoppen.

Gert Zöller, Fraktionschef der Grünen

Und was soll jetzt geschehen? Natürlich ein Moratorium! Nach einem bereits abgelaufenen zehnjährigen Moratorium, einem intensiven stadtpolitischen Diskurs, einer demokratisch legitimierten Mehrheitsentscheidung und aufwändigen Planungsarbeiten soll die Uhr wieder auf Null gedreht werden.

Warum? Weil die zahlenmäßig übersichtliche Initiative geänderte Bedingungen geltend macht. Die gestiegenen Baukosten sind bloß ebenso wenig stichhaltig wie die Unterschrift von Klimaforscher Schellnhuber: Die Baukosten schlagen für Sanierung und Erweiterungsbau gleichermaßen zu Buche; letztlich könnte man mit diesem Argument jedes Bauvorhaben stoppen. Zudem ist die Forderung von Schellnhuber nach einer ergebnisoffenen Prüfung der Klimarelevanz insofern bemerkenswert, da sie im Widerspruch zur Behauptung der Initiative steht, die klimatisch günstigere Bilanz der Sanierungsvariante sei längst eindeutig nachgewiesen.

© Rita Boettcher

Hinsichtlich der Klimaauswirkungen erzeugt eine ausschließliche Fokussierung auf einzelne Aspekte wie graue Energie, ohne Berücksichtigung der Chancen, die ein Neubau bietet, ein Zerrbild der Wirklichkeit. Das Zusammendenken ökologischen und sozialen Bauens kann musterhaft in der Gartenstadt Drewitz nachvollzogen werden: Die großflächig durchgeführte energetisch hochwertige Sanierung hunderter Plattenbauwohnungen in Kombination mit einem nachhaltigen Verkehrskonzept stellt eine beispielhafte Erfolgsgeschichte dar, die sich nun standortspezfisch in weiteren Stadtteilen fortsetzt.

Kurzum: Die Bauwende ist längst in Potsdam angekommen! Die Verklärung eines einzelnen – in vielerlei Hinsicht problematischen – Gebäudes zum alleinigen Erfolgsmerkmal für das Gelingen von Klimaschutz und Bauwende ist dagegen verstörend und rational kaum nachvollziehbar.

„Es ist nicht überraschend, dass kurz vor dem Abriss bekannte Positionen sich nochmal zuspitzen“

Seit über zehn Jahren wird über den Staudenhof diskutiert. Es ist nicht überraschend, dass kurz vor dem Abriss bekannte Positionen sich nochmal zuspitzen. Dabei wird naturgemäß manches verkürzt, wie auch die öffentliche Interpretation des jüngsten Gutachtens gezeigt hat. Ob der Staudenhof saniert oder abgerissen werden soll, ist für die SPD-Stadtverordneten eine Frage, die lange und genau abgewogen wurde. Das gilt auch in der sachlichen Diskussion mit den Jusos.

Für uns bleibt dabei klar als Ergebnis: der Abriss und ein nachhaltig errichteter Neubau durch die städtische ProPotsdam bedeuten mehr Wohnfläche, mehr soziales Wohnen, mehr soziale Vielfalt, mehr Nutzungsvielfalt im Zentrum und eine längere Nutzungsbindung. Wohnraum nicht nur für Singles wie jetzt, sondern auch für Familien. Mitten in der Stadt zu sozialverträglichen Mieten und mit vernünftigen Wohnstandards. Das ist sozial und nachhaltig.

Anders als beim Staudenhof boten die sanierten Plattenbauten in der Stadt nie nur einen Wohnungstyp.

Hagen Wegewitz, SPD-Fraktionsvorsitzender

Wo es sinnvoll ist zu sanieren und nicht abzureißen, haben wir das immer unterstützt und sind froh, dass in Potsdam bisher so wenig Plattenbauten abgerissen und so viele saniert wurden, wie kaum woanders. Anders als beim Staudenhof boten die sanierten Plattenbauten in der Stadt aber nie nur einen Wohnungstyp, sondern eine Vielfalt an Wohnformen. Am Prinzip der Erhaltungsprüfung halten wir auch zukünftig fest.

Auch die Wiederverwendung von Bauteilen und Abrissmaterial ist ein wichtiger Hebel für neues Bauen und dank der in Potsdam versammelten wissenschaftlichen Expertise und Kompetenz können gerade hier Vorbilder entstehen. Wenn am Alten Markt zukünftig ressourceneffiziente Neubauten mit höchsten Energiestandards und möglichst kleinem CO₂-Abdruck über eine lange Lebenszeit entstehen, wobei auch das Abrissmaterials klug wiederverwendet wird, dann ist dies Teil unserer Abwägung und eine Unterstützung der Bauwende.

„Bürgerwille beachten“

Der Antrag im Bürgerhaushalt zu Erhaltung und Sanierung des Gebäudes Staudenhof hat über 6600 Voten erhalten und sich damit auf Platz 7 im Gesamtranking und vorderen Feld in der TOP 20 Liste platziert. Der Bürgerhaushalt der Stadt Potsdam bietet die Möglichkeit der direkten demokratischen Beteiligung der Stadtbevölkerung bei der Verwendung des Stadthaushalts und ist damit auch ein wichtiger Seismograf für die Stimmungslage in der Bürgerschaft für städtische Projekte.

Mehr als 14.000 Potsdamer Bürgerinnen und Bürger haben sich am aktuellen Bürgerhaushalt 2023/24 mit ihren Voten beteiligt und damit ihre Erwartungen an die Stadtpolitik zum Ausdruck gebracht. Das Votum macht deutlich, dass eine erhebliche Zahl an Bürger:innen den 40 Millionen Euro teuren Abriss-Beschluss der Stadtverordnetenversammlung von 2021 für falsch hält und von den Argumenten der Abrissbefürworter nicht überzeugt ist.

Im November 2022 hat sich dann die Initiative „Retten wir den Staudenhof“ gegründet, der sich innerhalb kürzester Zeit zahlreiche ausgewiesene Fachleute aus der Praxis und der Wissenschaft, Kammern und Verbände aus den Bereichen Klimaschutz, Architektur, Bauen, Kunst und so weiter sowie viele Bürger:innen Potsdams angeschlossen haben.

Der Staudenhof ist so sanierungsfähig wie die ungefähr 10.000 anderen Plattenbauwohnungen.

Anja Günther, Sozial.Linke-Stadtverordnete

Die Stadtverordneten sollten dies alles nicht ignorieren. Sie sind vielmehr ausdrücklich gefordert, zu zeigen, dass sie bereit sind, sich mit der direkten demokratischen Beteiligung der Potsdamerinnen und Potsdamer am Bürgerhaushalt sowie dem Votum zahlreicher namhafter Experten ernsthaft auseinanderzusetzen. Zu bewerten sind die veränderten Rahmenbedingungen bei den Baupreisen und Förderbedingungen, eine ergebnisoffene Untersuchung einer Erweiterung des Bestandsgebäudes, eine angemessene Einbeziehung der Klimabilanz in die Gesamtbewertung.

Das Angebot einer Mitwirkung des weltweit renommierten Klimaforschers Herrn Prof. Hans Joachim Schellnhuber mit dem von ihm gegründeten „Bauhaus der Erde“ sollte Potsdam nicht ausschlagen, und ebenso wenig ausschlagen sollten die im Stadtparlament vertretenen Parteien die Voten ihrer Jugendorganisationen. Schließlich geht es um eine weit in die Zukunft reichende Entscheidung.

Der Staudenhof ist zweifellos für den einst beschlossenen Stadtumbau nach historischem Vorbild eine Herausforderung. Aber ist es denn falsch, sich dieser Herausforderung unter den neuen Bedingungen der ökologischen Fragwürdigkeit jedweden Abrisses und der mit ihm verbundenen Verschwendung von Steuergeldern auch auf neue Weise zu stellen?

Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber ist Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber ist Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).

© Foto: dpa/Monika Skolimowska

Es ist unstrittig, dass das Wohngebäude Staudenhof ebenso sanierungsfähig ist wie die ungefähr 10.000 anderen Plattenbauwohnungen in Potsdam. Strittig scheinen jedoch noch die Kosten dieser Sanierung zu sein. Die ProPotsdam kommuniziert unterschiedliche Sanierungskosten zwischen 6,5 Millionen und 17,9 Millionen Euro. Es ist an der Zeit, hier endlich Transparenz zu schaffen. Auch dafür müssen die Stadtverordneten sorgen. Damit der Staudenhof zu einem Ausweis der Bereitschaft Potsdams zu nachhaltiger, sozial verträglicher und den Willen der Bürgerinnen und Bürger respektierender Stadtsanierung werden kann.

„Der Staudenhof passt nicht zur Potsdamer Mitte“

Potsdams einzigartiger barocker Stadtkern um den Alten Markt wurde Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört. Nach dem Krieg wurde der Charakter des Zentrums aus ideologischen Gründen bewusst nicht wiederhergestellt. Deshalb beschlossen die Stadtverordneten bereits 1990 die Wiederannäherung an das historisch gewachsene Stadtbild und 1999 konsequenterweise das Sanierungsgebiet „Potsdamer Mitte“ zur Umsetzung dieses Ziels. Dadurch wurde Potsdams Mitte einer der bedeutendsten und prägendsten Transformationsräume unserer Stadt.

Architektonisch und städtebaulich entstehen wieder die historischen Straßen mit ihren kleinteiligen Strukturen und abgeschlossenen Plätzen, die eine hohe Aufenthaltsqualität schaffen und typisch für den Stadtkern waren. Die Mitte wird durch den Block, der zwischen der Nikolaikirche und der Straße Am Kanal entstehen soll, erst abgeschlossen und gehört als Einheit zu den im Bau befindlichen Karrees auf dem historischen Stadtgrundriss. Insgesamt ist das zweifellos ein großer städtebaulicher Gewinn für unsere Stadt. Der Staudenhof und die vorgestellten Anbauten passen ganz und gar nicht dazu.

Der jetzt betonte Aspekt Klimaschutz ist ein neuer Versuch und willkommener Deckmantel, die seit Jahren ideologisch geführte Debatte populistisch zu beleben, ohne durch Fakten zu überzeugen. Die vorgelegte Studie ist widersprüchlich und sachlich angreifbar.

Die Zweifel an der Wirtschaftlichkeit lassen sich nicht nachvollziehen.

Matthias Finken, Fraktionschef der Potsdamer CDU

Ein Neubau erfüllt einen bedeutend höheren energetischen Standard, die Flächen werden besser genutzt und die Nutzungsdauer von Neubauten liegt eindeutig höher als die eines sanierten Gebäudes. Die Freunde der Architektur des Staudenhofs würden enttäuscht werden, denn vom jetzigen Äußeren wird wohl kaum etwas übrig bleiben können, sodass quasi ein neues Gebäude entsteht, das nicht im Entferntesten an den Staudenhof erinnert, wie wir bei der Stadt- und Landesbibliothek sehen.

Darüber hinaus ist die Kritik an der Wohnungsbauförderung unsozial; denn der Bedarf ist bei unserem akuten Wohnungsmangels unbestreitbar vorhanden. Die Zweifel an der Wirtschaftlichkeit lassen sich nicht nachvollziehen und in den Raum gestellten Sanierungskosten mussten als zu niedrig korrigiert werden.

Der Bau des Block V wie geplant ist ein Gewinn aus städtebaulicher und architektonischer Sicht, ist kostengünstiger, schafft mehr dringend benötigten Wohnraum auch für Familien mit geringerem Einkommen und zwar in einer attraktiven Innenstadtlage, sorgt damit für eine gute soziale Durchmischung unseres Zentrums und ist ökologisch mindestens gleich wie eine Sanierung zu verwirklichen. Der Neubau erlaubt der Stadt einen großen Gestaltungsspielraum, bezahlbaren und bedarfsgerechten Wohnraum auch für große Familien im Zentrum mit zeitgemäßen Grundrissqualitäten und energetischen Standards anzubieten.

„Für den behutsamen Umgang mit wertvoller Bausubstanz“

Nach 1990 wurden in Potsdam viele Gebäude aus der Barockzeit mit großem Aufwand und hohen Kosten saniert, statt sie abzureißen und zusätzliche Baumassen auf den Flächen zu errichten. Dass eine Mehrheit der Stadtverordneten andere Maßstäbe anlegt, wenn es um Sonderbauten der Nachkriegsmoderne geht, zeigt, dass es dabei um rein ideologische und ästhetische Gründe geht.

Der Abriss des Wohnblocks ist eigentlich beschlossene Sache.
Der Abriss des Wohnblocks ist eigentlich beschlossene Sache.

© Andreas Klaer

DIE aNDERE setzt sich für eine nachhaltige Stadtentwicklung und den behutsamen Umgang mit wertvoller Bausubstanz ein.

Der Abriss sanierbarer Wohngebäude ist klimaschädlich, unsozial und teuer. Bau und Betrieb von Gebäuden verursachen in Deutschland 40 Prozent des CO₂-Ausstoßes und 52 Prozent des Müllaufkommens. Die Baubranche verbraucht mehr als 90 Prozent der nicht nachwachsenden Rohstoffe. Im Wohnblock am Staudenhof sind enorme Mengen an „grauer Energie“ enthalten. Nachhaltige Stadtentwicklung muss auf die Ausnutzung der möglichen Lebenszyklen von Gebäuden setzen, statt sie in ihrer Lebensmitte abzureißen. Dachbegrünung und Photovoltaikmodule allein reichen für eine Bauwende nicht aus. Deshalb setzen sich immer mehr Klimawissenschaftler*innen und Fachleute für eine Sanierung des Staudenhofs ein.

Der Staudenhof bietet 182 kleine Wohnungen, die stark nachgefragt sind. Die Mieten liegen vor und nach der Sanierung unter dem Höchstsatz der Mietkosten, den Jobcenter und Sozialamt übernehmen. Bei Abriss und Neubebauung nach den aktuellen Plänen entstehen zwar größere, aber kaum mehr Wohnungen. Zudem soll nach dem Abriss die Brache mehrere Jahre für Baulogistik des benachbarten Block IV genutzt werden. Wohnungen sollen dort erst viel später entstehen.

Der vorliegende Variantenvergleich ist unseriös und manipulativ.

André Tomczak, Fraktion Die Andere

Der vorliegende Variantenvergleich ist unseriös und manipulativ: Erstens: Für die Sanierung wurden keine Varianten mit Erweiterungsbauten oder Neubau an anderer Stelle geprüft, aber für die Abrissvariante zusätzliche Flächen für den Neubau. Der Vergleich stellt ferner zwar den selbst verursachten schlechten Zustand des Gebäudes in Rechnung, aber nicht die über Jahrzehnte verbuchten Millioneneinnahmen aus den Mietzahlungen. Drittens: Im Variantenvergleich sind 1,6 Mio Euro aus dem Landesprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz für den Abriss enthalten. Diese Mittel sind ein indirekter kommunaler Zuschuss, weil die Stadt das Geld aus einem festen Budget erhält und auch an anderer Stelle in der Potsdamer Mitte einsetzen kann.

Zuletzt sprechen auch baukulturelle Gründe für eine Sanierung des Staudenhofes.

André Tomczak, Fraktion Die Andere

Die Korrektur jedes einzelnen dieser Punkte würde dazu führen, dass die Sanierung aus dem Vergleich nicht nur als die klimapolitisch günstigste, sondern auch als die wirtschaftlichste Option hervorgeht. Dazu kommt, dass der Variantenvergleich auf veralteten Baukosten beruht.

Zuletzt sprechen auch baukulturelle Gründe für eine Sanierung des Staudenhofs. Wie die benachbarte Bibliothek kann auch der Staudenhof behutsam und bedarfsgerecht weiterentwickelt werden. Die Mittel für den vorgesehenen Neubau könnte die ProPotsdam hingegen an anderer Stelle einsetzen.

„Ganz klar: Abriss und Neubau“

Warum sollte Potsdam den Staudenhof stehen lassen und sanieren, eventuell sogar erweitern? Architektonisch handelt es sich um kein Meisterwerk. Damit sei nicht bestritten, dass es sich um ein Zeugnis der DDR-Moderne handelt und dass solche Zeugnisse zu unserer Geschichte gehören. Hier zur Geschichte von SED-Diktatur und Misswirtschaft.

Auch ästhetisch ist er eher hässlich – wobei man natürlich über Geschmack streiten kann. Wie dem auch sei: Wir brauchen kein weiteres Denkmal der Diktatur und Planwirtschaft, sondern zeitgemäßen, nach energieeffizienten Standards errichteten und bezahlbaren Wohnraum, der unsere Innenstadt für uns alle, Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für Geschäfte und Touristen, attraktiv macht. Nachhaltig und finanzierbar. Dies alles ist durch einen Neubau realisierbar. Übrigens gilt auch bei jeder anderen Epoche der Geschichte, dass nicht jedes Gebäude gleichermaßen erhaltenswert ist.

Auch ästhetisch ist er eher hässlich – wobei man natürlich über Geschmack streiten kann.

Holger R. Rohde, sachkundiger Einwohner der FDP-Fraktion im Bauausschuss

Differenzierung tut auch hier Not und so kann man zum Beispiel mit guten Gründen die Erhaltung des Minsk als Bereicherung sehen, ohne deshalb jedes noch so unzeitgemäße DDR-Bauwerk zum vermeintlichen Meisterstück und Denkmal hochzustilisieren.

Die Argumente wurden ausgetauscht (und dokumentiert). Ein entsprechender Beschluss wurde auf der Grundlage älterer Beschlüsse von der Stadtverordnetenversammlung am 5. Mai 2021 gefasst. Die Umsetzung ist im Gange. Eine Auswahlkommission zur Auswahl der Baukonzepte auf der Grundlage ausgewählter Nutzungskonzepte hat im Mai 2022 getagt. Ein wettbewerbliches Verfahren zur Sicherung architektonischer und städtebaulicher Qualitäten ist in Vorbereitung.

Die Entscheidungsgrundlage hat sich nicht geändert.

Holger R. Rohde, sachkundiger Einwohner der FDP-Fraktion im Bauausschuss

Demokratische Entscheidungen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie revidierbar sind. Doch die Tatsachen und damit die Entscheidungsgrundlage haben sich durch die neuerlichen Initiativen nicht geändert. Der Zeitpunkt der Intervention ist verständlich: Wettbewerb, Planung, Baugenehmigung und Vergabe rücken näher und sind bald unumkehrbar. Allerdings: Es gibt keine neuen Erkenntnisse zur CO₂-Emission der verschiedenen Alternativen und auch nicht zu den Kostenschätzungen. Die Entscheidung für einen Abriss steht nach wie vor auf soliden Beinen.

Bliebe also als Kritikpunkt das Ziel und der politische Wille, dieses auch zu erreichen. Das Ziel besteht nach wie vor in der Schaffung zeitgemäßen und bezahlbaren Wohnraums sowie – praktisch vor der Klammer – der Klimaneutralität der Stadt Potsdam. Mit keinem der vorgebrachten Vorschläge (alte sowie neue), die die Erhaltung des Staudenhofs vorsehen, lässt sich das erklärte und wohl auch von keiner Initiative zur Erhaltung des Staudenhofs offen in Frage gestellte Ziel erreichen. Wer dieses Ziel allerdings ernsthaft erreichen möchte, muss mit klarem Blick nach vorn für den Abriss des Staudenhofs plädieren und die Errichtung eines zeitgemäßen, energieeffizienten Neubaus unterstützen. Das Ziel teilen muss man freilich nicht – Zielkonflikte ehrlich benennen und aushalten sehr wohl.

„Bezahlbares Wohnen im Zentrum sichern“

Die Linken haben sich lange und intensiv für den Erhalt des Staudenhofs eingesetzt. Dabei ging und geht es uns insbesondere darum, vor dem Hintergrund des Bestrebens zur Rekonstruktion der historischen Mitte der Stadt bezahlbares Wohnen im Stadtzentrum zu sichern. So konnten wir Ende 2011 mit Unterstützung durch die SPD einen Beschluss zur dauerhaften Erhaltung dieses Gebäudes erreichen. Dieser Beschluss ist allerdings schon 2012 wieder aufgehoben und in das Gegenteil verkehrt worden. Auf Initiative der SPD-Fraktion ist der Abriss des Hauses nach Ablauf einer Restnutzungsdauer von zehn Jahren, also 2022, beschlossen worden.

Wenig später wurde in einem Gutachten dargestellt, dass der Staudenhof eine Restnutzungsdauer nicht nur von zehn, sondern von 28 Jahren habe und ein vorzeitiger Abriss mit wirtschaftlichen Verlusten für die Pro Potsdam in Höhe von 3,65 Millionen Euro verbunden sei. Dafür gab es über die Jahre eine stabile Mehrheit in der Rathauskooperation von SPD, CDU und Grünen.

Der Staudenhof wird für die Aufnahme von Flüchtlingen dringend gebraucht.

Hans-Jürgen Scharfenberg, Vorsitzender der Linke-Fraktion

Vor diesem Hintergrund konnte die Linksfraktion 2016 durchsetzen, dass bis 2019 eine Wirtschaftlichkeitsberechnung zur Variante der Sanierung des Gebäudes im Vergleich zu Abriss und Neubau vorgelegt wird. Unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich aufgelegten Förderung des Wohnungsneubaus zeigte die Wirtschaftlichkeitsberechnung von 2018 einen Vorteil für die Neubauvariante auf. Ein Antrag der Linksfraktion zur vertieften Prüfung der Sanierungsvariante im Vergleich zu Abriss und Neubau vom März 2019 wurde mehrheitlich abgelehnt. Das war ein Fehler, der sich in der aktuellen Diskussion widerspiegelt.

Die Initiative für die Erhaltung des Staudenhofs stützt sich zum einen auf die nicht belastbaren Zahlen für die Kosten einer Sanierung des Gebäudes. Sie bezieht zum anderen die erhöhte Sensibilisierung für die ökologischen Wirkungen eines Abrisses in die Überlegungen ein. Zudem liegt auf der Hand, dass der Staudenhof mit seinen 182 Wohnungen angesichts der für dieses Jahr angekündigten Zahlen für die Aufnahme von weiteren Flüchtlingen in der Landeshauptstadt dringend gebraucht wird für eine zumutbare Unterbringung. Vor diesem Hintergrund werden wir dem Antrag der Fraktion Die Andere für einen aktualisierten Variantenvergleich zustimmen.

„Man kann aus einem Ackergaul kein Rennpferd machen“

Bei der von Pro Potsdam geplanten Lösung, entstehen mehr Sozialwohnungen als bei der Erhaltung des Plattenbaus. Auch die städtebauliche Neubaulösung ist besser. Man kann aus einem Ackergaul kein Rennpferd machen, und aus dem Plattenbau kein modernes Gebäude, bei dem unter anderem auch der Schallschutz den aktuellen Neubau-Standards entspricht.

„Wie Ideologie Demokratie stören soll“

Uns ist unverständlich, warum vehement versucht wird, eine langjährig ausgehandelte, bestehende Beschlusslage zu torpedieren. Weder spricht etwas für den Erhalt des DDR-Betonklotzes aus ästhetischen Gründen noch aus sogenannten ‚Klimaschutz‘-Gründen. 

Dass zu Letzterem der im Wortsinne ‚Klimapapst’ Dr. Schellnhuber bemüht wird, obwohl weltweit noch im Verlauf der kommenden Stadtverordnetenversammlung ein Zigfaches der Staudenhof-Masse an Beton vergossen wird, zeigt, wie Ideologie Demokratie stören soll.

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