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Im Sonderbauprogramm errichtet die kommunale Pro Potsdam GmbH im Schlaatz 50 Wohnungen in Modulbauweise.  Die Häuser entstehen aus Holzhybridmodulen.

© Pro Potsdam GmbH

Nachhaltig bauen: Wie in Potsdam mehr Holzhäuser entstehen könnten

Beim 75. Potsdamer Stadtforum sprachen Experten über die Möglichkeiten, den Bausektor klimaneutral zu gestalten. Doch es gibt Grenzen und Bedenken.

Etwa die Hälfte aller CO₂-Emissionen entstehen im Bausektor. Der Klimawandel erfordert deshalb ein radikales Umdenken in der Branche. So könnte das 75. Potsdamer Stadtforum, das am Donnerstagabend im Potsdam Museum zum nachhaltigen Bauen tagte, zusammengefasst werden. Potsdam biete mit dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, dem Bauhaus Erde und weiteren Instituten die besten Voraussetzungen, um bei dem Thema weiterzukommen, sagte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD). Er vermisse Vertrauen in die Expertise der hier versammelten Wissenschaft.

Dass völlig neu geplant und gebaut werden muss, zeigten die Zahlen, die Eike Roswag-Klinge, Architekt und Professor der Technischen Universität Berlin, vorlegte. Große Teile unserer Abfälle seien Bauschutt, der besser recycelt werden müsse. 92 Prozent aller mineralischen Entnahmen aus der Erde würden für den Bausektor benötigt. Der „Klimakiller Beton“ müsse deshalb ersetzt werden. Dabei stellte Eike Roswag-Klinge das Bauen generell infrage. Denn: „Europa ist fertig gebaut. Wir haben in Deutschland 1,7 Millionen leer stehende Wohnungen.“ Diese Zahl hatte im April Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) genannt. Doch während einige Regionen schrumpfen, wächst der Wohnraumbedarf in Metropolregionen und damit auch in Potsdam.

Schwierig wird die CO₂-Reduktion im Bausektor auch deshalb, weil je die Hälfte des Sektors den Hausbau und den Straßenbau betreffe. Und Straßen könnten nicht aus Holz gebaut werden, so Roswag-Klinge. Er empfahl die Reduktion. So müssten Bestandsbauten verändert und neu genutzt, statt abgerissen werden - ein Fingerzeig auf Staudenhof und Rechenzentrum. „Wir dürfen Beton nicht zermahlen, wir müssen ihn erhalten“, sagte Roswag-Klinge, der zugleich alle Vorurteile zum Holz beiseite räumte. Schon im Jahr 1445 entstand im bayerischen Bad Aiblingen ein siebengeschossiges Haus aus Holz, bis heute erhalten.

Bis ins 19. Jahrhundert seien Häuser aus regional verfügbaren Ressourcen entstanden. Das Konsumzeitalter und Beton sorgten dafür, dass der CO₂-Fußabdruck immer größer wurde. Häuser mit Glasfassaden, eigentlich nur als Gewächshaus für Tomaten geeignet, benötigen zusätzlich Klimatisierungen.

Heute gibt es wieder Minimal Tech Houses mit Holzfassade und lediglich mit Strom- und Wasseranschluss, erläuterte später Architekt Philipp Misselwitz vom Bauhaus Erde, der dazu aufrief, Kompromisse zu finden, statt zu sagen, was nicht ginge. Den deutlichen Wink wollte oder konnte Pete Heuer, Diplom-Forstingenieur und SPD-Fraktionsvorsitzender, nicht sehen. Er warf den Holz-Befürwortern vor, dass sie ein Material nutzen wollten, für das heute schon im Übermaß Wälder gerodet würden. Die Wälder der Welt könnten laut einer WWF-Studie den Bedarf nicht decken. Der Verbrauch sei heute bereits zu hoch, so Heuer.

Wir müssen die Verschwendung stoppen!

Philipp Misselwitz, Bauhaus Erde

Dabei ging es auch um andere Verwendungen. Holz dürfe nicht für die Papierherstellung genutzt, Holzabfälle nicht für die kommunale Energieerzeugung verbrannt werden, sagte Eike Roswag-Klinge. Möglich sei auch das Bauen mit Schilf, Hanf, Bambus, Recyclingmaterial und Lehm. Im Bauhaus-Lab wurde ein hochverdichteter Stein mit geringem Lehmanteil entwickelt, berichtete Misselwitz. Ein Baustein der Zukunft für Häuser ohne Klimaanlagen. Bauen könne als einziger Sektor vom Klimakiller zum Klimaheiler werden, ist Misselwitz überzeugt. „Wir müssen die Verschwendung stoppen!“, lautete sein Aufruf, der auch mit Blick auf die Bauvorhaben in künftigen Megacitys in Asien wichtig sei. Und Potsdam könne mit regionalen Baumaterialien Vorreiter werden. Bei der EU-Mission klimaneutraler Kommunen seien aber andere Städte vorn.

Es wäre genügend Holz aus Brandenburg vorhanden, erklärte der emeritierte Professor der Fachhochschule Potsdam, Bernd Steigerwald. Leider werde die märkische Kiefer kaum eingesetzt, auch wegen gültiger Normen beim Bau. Doch könnte auch Holz mit geringer Qualität oder von jungen Bäumen verarbeitet werden, beispielsweise zu Spanplatten für Hauswände. „Eine nachhaltige Kiefernholznutzung wäre möglich“, sagte Steigerwald. Dem stimmte auch Denny Ohnesorge, Geschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Holzindustrie, zu.

Bauen mit Holz funktioniere, sagte Andreas Rieger, Präsident der Architektenkammer Brandenburg. Dennoch würden 90 Prozent der Gebäude heute noch konventionell konzipiert. Rieger sprach von einem kulturellen Prozess: „Wir müssen es einfach wollen.“

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