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Die Polizei auf einem letzten Rundgang um den Staudenhof, bevor das dreitägige Klimacamp am Sonntag beendet wurde.

© Andreas Klaer/PNN

Update

Klimacamp beendet: Staudenhof in Potsdam kurzzeitig besetzt

Die Aktivisten wollten den Abriss des DDR-Wohnblocks verhindern. Während der Aktion blieb es friedlich.

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Die Initiativgruppe „Stadt für alle“ teilte dazu auf Twitter mit: „Alle Besetzer*innen des #Staudenhof haben ihn ohne Polizeikontakt verlassen. Respekt. Wichtige und tolle Aktion. Danke“. Am Staudenhof blieb es während der eher symbolisch anmutenden Besetzung friedlich.

Der Staudenhof am Alten Markt in der Potsdamer Innenstadt ist am späten Samstagabend kurzzeitig besetzt worden. Doch schon nach knapp anderthalb Stunden war die Aktion von linken Aktivisten wieder vorbei. Kurz vor Mitternacht begleiteten Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, in Präsenz der Polizei, sechs junge Menschen aus dem Gebäude. Sie wurden von den vor dem Gebäude wartenden Menschen mit Jubel empfangen.

Über die Kurzzeit-Besetzung hatte das linke Bündnis „Solidarisches Potsdam“ auf Twitter informiert. „Kommt alle, holen wir uns die Stadt zurück“, hieß es. Mit dem von den Potsdamer Stadtverordneten beschlossenen Abriss werde Wohnraum für finanziell schwächer gestellte Menschen „vernichtet“. Dieser „rückständigen, ignoranten Stadtpolitik“ wollten die Aktivisten sich entgegenstellen. „Kampf dem Kapitalismus in Potsdam und überall!“, so eine weitere Parole.

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Vor Ort am Staudenhof blieb es am späten Samstagabend weitgehend ruhig. Rund 50 bis 60 überwiegend junge Menschen schauten zusammen unter freiem Himmel den Film „Schrott oder Chance“, der den Abriss des DDR-Baus der ehemaligen Fachhochschule (FH) am Alten Markt dokumentiert. Auch die FH war 2017 vor ihrem Abriss besetzt worden.

Filmvorführung Samstagnacht am Alten Markt im Rahmen des Staudenhof-Klimacamps.
Filmvorführung Samstagnacht am Alten Markt im Rahmen des Staudenhof-Klimacamps.

© THORSTEN METZNER TSP

Die Einsatzkräfte trafen kurze Zeit später am Staudenhof ein. Ohne viel Aufsehen zu erregen, verschafften sich einige Polizeibeamte über einen Seiteneingang Zugang zu dem Haus. Es dauerte nur wenige Minuten bis die meisten von ihnen den Staudenhof wieder verließen – zusammen mit den sechs Besetzerinnen und Besetzern.

Mehrere Fenster des Staudenhofs sind während der Besetzung erleuchtet.
Mehrere Fenster des Staudenhofs sind während der Besetzung erleuchtet.

© THORSTEN METZNER TSP

In der Zwischenzeit hatte die Polizei ihre Präsenz vor Ort deutlich verstärkt. Gut zehn Einsatzfahrzeuge parkten kurz nach Mitternacht auf dem Alten Markt nahe der Nikolaikirche. Es machte jedoch nicht den Eindruck, als würden diese noch viel zu tun bekommen. Nach der Beendung der Besetzung packten die meisten Aktivisten ihre Sachen, das Areal leerte sich schnell.

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Die Linken-Landtagsabgeordnete Isabell Vandré sagte gegen 0.15 Uhr gegenüber PNN und Tagesspiegel: „Die Besetzung ist vorbei.“ Es sei jedoch wichtig gewesen, mit dem Klimacamp in der Innenstadt noch einmal ein Zeichen zu setzen. Nur kurz war Protest gegen den Polizeieinsatz aufgeflammt, in Sprechchören forderten die Anwesenden, die Polizei solle das Haus verlassen. Es sei nicht das Ziel gewesen, die Situation mit der Polizei eskalieren zu lassen, sagte Holger Tschoge vom „Bündnis Stadt für alle“: „Darum geht es uns nicht.“

Kritik des Oberbürgermeisters

Die kommunale Pro Potsdam teilte am Sonntag mit, sie durch ihre Gesellschafterin beauftragt, den Stadtverordnetenbeschluss zum Rückbau des Staudenhofes umzusetzen. „Aus diesem Grund mussten wir entsprechend auf die Aktivitäten gestern Abend reagieren und nach Rücksprache mit der Polizei die Situation auflösen“, sagte eine Sprecherin. „Wir sind auch für einen reibungslosen Ablauf der geplanten Bauarbeiten verantwortlich, welcher durch eine Besetzung erheblich beeinträchtigt worden wäre. „

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) sagte: „Zum Staudenhof gibt es eine klare Beschlusslage, die immer wieder - zuletzt vor wenigen Tagen am 3. Mai mit einer klaren Mehrheit - bestätigt wurde.“ Es gehe letztlich um den Grundsatz demokratischer Entscheidungsfindung und Legitimation. „Bei allem Verständnis für unterschiedliche Positionen in der Stadtgesellschaft ist die Grenze da, wo Aktionen gegen Gesetze verstoßen und die Umsetzung des politischen Willens der gewählten Stadtverordnetenversammlung verhindern“, so Schubert.

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Seit Jahren wird in Potsdam über den Abriss des Staudenhofs debattiert. Im Sommer soll der Abriss beginnen. Legitimiert ist das durch mehrere Beschlüsse der gewählten Stadtverordnetenversammlung. Zuletzt stimmten SPD, große Teile der Grünen, CDU, FDP, AfD, Bürgerbündnis und die Fraktion „Mitten in Potsdam“ dafür – gegen die Stimmen der Linken, der Fraktion Die Andere und der Freien Fraktion.

An der Stelle des Staudenhofs soll ein Neubau mit Sozialwohnungen entstehen – er soll allerdings erst 2029 fertiggestellt werden. Zuvor soll das Gelände als Logistikstützpunkt für die Wiederherstellung der Potsdamer Mitte dienen. Bauherr ist die kommunale Bauholding Pro Potsdam.

Demo gegen Reichtum am Heiligen See

Die Aktivisten dagegen teilten in ihrer Erklärung zur Besetzung mit, der Staudenhof solle einer „extrem teuren Luxusimmobilie im neuen Barock-Stil weichen“. Das ist allerdings nicht zutreffend. Am Sonntag demonstrierten Teilnehmer des Klimacamps in der privaten Leonardo-da-Vinci-Straße in der Berliner Vorstadt mit Rauchbomben in Regenbogenfarben und einem Transparent mit der Aufschrift „Wir können uns die Reichen nicht leisten“.

Demo in der Leonardo-da-Vinci-Straße am Sonntag: „Wir können uns die Reichen nicht leisten“, steht auf dem Transparent.
Demo in der Leonardo-da-Vinci-Straße am Sonntag: „Wir können uns die Reichen nicht leisten“, steht auf dem Transparent.

© Peer Neumann

In Briefkästen wurde ein Flugblatt geworfen; darauf war unter anderem zu lesen, dass die reichsten Menschen, ein Prozent der Weltbevölkerung, für doppelt so viel CO2-Ausstoß verantwortlich seien wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. In kaum einer anderen Stadt im Osten Deutschlands seien die sozialen Unterschiede so groß wie zwischen den Villenvierteln der Berliner Vorstadt und den Plattenbauvierteln Am Stern und im Schlaatz. Das gelte auch für die Unterschiede beim CO2-Ausstoß. Zusätzlich würden die Reichen der Stadt teure Anlageobjekte bauen und damit die Mieten in der Stadt weiter nach oben treiben. Die Demo wurde als „ein Auftakt“ bezeichnet.

Verschiedene Aktivisten und Organisationen veranstalteten als Demonstration ein "Klimacamp" und einen 24-Stundenlauf um den zum Abriss vorgesehenen Staudenhof.
Verschiedene Aktivisten und Organisationen veranstalteten als Demonstration ein "Klimacamp" und einen 24-Stundenlauf um den zum Abriss vorgesehenen Staudenhof.

© Andreas Klaer/PNN

Das Thema Klimaschutz würde mit dem Staudenhof zusammenhängen, sagte Holger Zschoge. „Es geht um eine bezahlbare Stadt, einen sozialen Stadtumbau und den Klimaschutz.“ Mit dem Klimacamp habe man ein Signal setzen wollen. Zschoge ist zufrieden mit der Beteiligung. Zeitweilig sei es richtig voll gewesen, so beim Konzert des Kama Orchestra am Samstagabend. Viele Menschen aus der Nachbarschaft hätten sich beim Klimacamp informiert. „Das Camp steht dafür, wie man öffentlichen Raum lebendig machen kann“, sagte Zschoge. „Der Alte Markt ist das platte Gegenteil.“ Dort seien nur Touristen, aber keine Potsdamer unterwegs.

Camp beendet

Zschoge kritisierte, dass eine Mehrheit im Stadtparlament alle ethischen Argumente, die gegen einen Abriss sprechen würden, ignoriere. Er prophezeite, dass der Widerstand beim Rechenzentrum viel größer werde. Welche Proteste am Staudenhof noch zu erwarten sind, blieb am Sonntag unklar. Das Camp löste sich gegen 14 Uhr auf.

Am selben Tag zogen drei ukrainische Brüder aus dem Haus aus. „Ich habe vergangene Nacht kaum geschlafen“, sagte Ahmet Mustafa. Es habe aber keine Probleme wegen der Besetzung gegeben. Die Wohnung im Staudenhof habe ihm gut gefallen – „groß und zentral gelegen“, sagt er. Mehr als ein halbes Jahr habe er dort gewohnt. Jetzt habe er eine andere Wohnung erhalten.

Am Samstag brachten Teilnehmer des Klimacamps solche Protestplakate am Zaun vor dem Staudenhof an.
Am Samstag brachten Teilnehmer des Klimacamps solche Protestplakate am Zaun vor dem Staudenhof an.

© Andreas Klaer/PNN

Für dieses Wochenende hatte das Netzwerk „Stadt für alle“ zu einem Stadt- und Klimacamp an dem Gebäude aufgerufen. „Wir nehmen damit die ökosoziale Wende in Potsdam in die eigenen Hände“, hatte das Netzwerk mitgeteilt. Geplant waren bei dem Camp unter anderem eine Menschenkette, ein 24-Stunden-Lauf um den Staudenhof sowie ein „Aktionstraining zu den Basics des zivilen Ungehorsams“ – als Übung für eine nicht näher ausgeführte „reale Aktion“. Auf einem Transparent war zu lesen: „Der Staudenhof ist unser Lützerath – Klimakiller besetzen und blockieren“. Das könnte ein Hinweis auf weitere Besetzungen des Gebäudes sein.

Wie berichtet hatten sich 21 Organisationen dem Protestaufruf angeschlossen, dazu gehören Klimaschutzgruppen wie Extinction Rebellion, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und die Macher des Bürgerbegehrens „Tschüss Erdgas“. Dazu kamen unter anderen der Kreisverband der Potsdamer Linken und die Wählergemeinschaft Die Andere und die Initiative Retten wir den Staudenhof, deren Aufruf auch bekannte Klimawissenschaftler unterzeichnet hatten.

Die Polizei war am Samstag auch tagsüber am Staudenhof im Einsatz.
Die Polizei war am Samstag auch tagsüber am Staudenhof im Einsatz.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Schon länger hatten es Verantwortliche in der Stadtverwaltung und der kommunalen Bauholding Pro Potsdam nach PNN-Informationen für wahrscheinlich gehalten, dass der Staudenhof vor dem geplanten Abriss ab Sommer besetzt werden könnte.

Ähnlich waren Aktivisten aus der linken Szene schon 2017 bei der alten Fachhochschule am Alten Markt vorgegangen. Mit einem Polizeieinsatz wurde die Aktion damals beendet, es gab Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch und anschließende Gerichtsverhandlungen. 

In dem Wohnhaus leben noch bis zu 90 Geflüchtete und frühere Mieter. Sie sollen Ersatzwohnungen erhalten. Auch zwei Räumungsklagen der Pro Potsdam gegen zwei Mieter sind anhängig, weil diese ihre Wohnungen nicht verlassen wollen.

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